Voraussetzung einer Mietminderung nach § 536 Abs. 1 S. 1 BGB ist, dass der tatsächliche Zustand der Mietsache negativ von der durch Vertrag oder Verkehrssitte definierten Sollbeschaffenheit abweicht, so dass der Mieter an der Ausübung seines mietvertraglichen Gebrauchs mehr als nur unerheblich gehindert wird (ganz h.M. vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2015 – VIII ZR 197/14; Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 536 Rn 1 m.w.N.). Primärer Maßstab zur Bestimmung eines Mangels sind also die vertraglichen Abreden der Parteien, die auch konkludent erfolgen können. Fehlen wie i.d.R. solche Abreden ist auf die mittels Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu ermittelnde Verkehrssitte zurückzugreifen und danach zu fragen, welchen Zustand der Mietsache der Mieter unter Berücksichtigung von Art und Lage der vermieteten Sache üblicher- und billigerweise erwarten darf (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 19 f.).
Praxistipps:
- In diesem Zusammenhang erlangen z.B. bei in Streit stehendem Baulärm von einer nahe gelegenen Baustelle technische Normen wie Richtlinien und Regelwerke wie die sog. DIN-Normen Bedeutung, welche jedoch primär nur indizielle Bedeutung haben und für die Mietminderung nur dann von unmittelbarem Interesse sind, wenn die Parteien oder die Verkehrssitte auf diese Bezug nimmt.
- Nach einem neuen Urteil des BGH aus dem Jahre 2018 (BGH, Urt. v. 22.8.2018 – VIII ZR 99/17) gilt, dass das Recht zur Mietminderung nach § 536 Abs. 1 BGB unabhängig davon gilt, ob der Mieter die Mietsache im fraglichen Zeitraum genutzt hat bzw. überhaupt nutzen konnte oder ob der Mieter ggf. einen nur eingeschränkten oder sogar gar keinen Gebrauch machen konnte (Staudinger/Emmerich, a.a.O., § 536 Rn 93).
- Vom BGH noch nicht ausdrücklich entschieden ist die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Recht zur Minderung vorliegen kann, wenn aufgrund baulich bedingter Besonderheiten der Mietsache die Gefahr eines Mietmangels (hier: einer Schimmelbildung) besteht, mithin inwieweit eine sog. Mangelgefahr (vgl. hierzu LG Lübeck, Urt. v. 15.2.2018 – 14 S 14/17) einen Mietmangel darstellen kann (vgl. BGH, Urt. v. 5.12.2018 – VIII ZR 271/17).
Das Recht zur Minderung darf schließlich nicht nach den §§ 536 Abs. 1a, 536b und 536c Abs. 2 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Die Ausschlusstatbestände können hier aufgrund der Schwerpunktsetzung des hiesigen Aufsatzes nur kurz skizziert werden (zur Vertiefung Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 624 ff.):
- § 536 Abs. 1a BGB: Keine Minderung innerhalb der ersten drei Monate aufgrund einer energetischen Modernisierung i.S.v. § 555b Nr. 1 BGB.
- § 536b S. 1 BGB: Bei Kenntnis des Mangels durch den Mieter bei Vertragsschluss ist eine Minderung ausgeschlossen.
- § 536c Abs. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB: Schuldhafte Nichtanzeige eines Mangels durch den Mieter und darauf beruhende nicht mögliche Abhilfe des Vermieters.
- § 242 BGB: Selbstverursachung des Mangels durch den Mieter
1. Berechnung einer Mietminderung
Bei Vorliegen eines Mangels der Mietwohnung reduziert sich der geschuldete Mietzins berechnet anhand der Bruttowarmmiete (BGH, Urt. v. 6.4.2005 – XII ZR 225/03; interessanterweise immer noch a.A. OLG Dresden, Urt. v. 31.7.2007 – 5 U 284/07 und 5 U 0284/07) kraft Gesetzes gem. § 536 Abs. 1 BGB um den Teil, der wertungsmäßig eine mehr als unerhebliche Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietwohnung begründet (vgl. § 536 Abs. 1 S. 3 BGB). Dies folgt unmittelbar aus § 536 Abs. 1 BGB, insoweit handelt es sich streng genommen nicht um ein spezielles Mietminderungsrecht des Mieters, da die Rechtsfolge unabhängig vom Willen, mithin im Einzelfall auch entgegen dem Willen des Mieters kraft Gesetzes eintritt. Unter der Bruttomiete in diesem Sinne ist die jeweils abgerechnete Bruttomiete zu verstehen, mit anderen Worten diejenige Bruttomiete, welche sich nach erfolgter Betriebskostenabrechnung und nach Verrechnung etwaiger Guthaben oder Nachforderungen ergibt (BGH, Urt. v. 13.4.2011 – VIII ZR 223/10; zum sog. Betriebskostendilemma wird auf Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 372 ff. verwiesen).
2. Erforderlicher Mietervortrag bei Mängeln
Der Mieter, der sich im Rahmen einer Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs auf eine Mietminderung beruft, ist für das Vorliegen eines mehr als unerheblichen Mietmangels nach den allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisverpflichtet. Der Mieter muss daher in einem ersten Schritt substantiiert darlegen, dass, in welcher Zeit und in welchem Umfang ein konkret bezeichneter Mietmangel vorgelegen hat, der beim Mieter zu einer konkret darzulegenden wesentlichen Gebrauchsbeeinträchtigung geführt hat (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, a.a.O., § 536 Rn 488 m.w.N.). Dies umfasst allerdings nicht das Maß der Beeinträchtigung, d.h. der Mieter muss keine konkrete Minderungsquote oder einen konkreten Minderungsbetrag und vor allem auch nicht die Ursache des behaupteten Mangels darlegen (BVerfG, Beschl. v. 29.5.2007 – 1 BvR 624/03; BGH, Urt. v. 15.4.2015 – VIII ZR 59/14).
Praxistipp:
Der häufig zu lesende Satz in Schriftsätzen an das Gericht im Rahmen von rechtshängigen Mietrechts...