Weiterhin meint "bauliche Veränderung" jede Maßnahme, die über die ordnungsmäßige Erhaltung (Instandhaltung und Instandsetzung/Reparatur) des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht (§ 20 Abs. 1 WEG-E). Umfasst ist wie bisher jede äußere Veränderung des Gebäudekörpers und der Außenanlagen (LG Berlin, Urt. v. 2.2.2016 – 53 S 69/15 WEG, ZWE 2016, 467 sowie ZWE 2017, 47: bauliche Veränderung, wenn ein Baum ersatzlos gefällt werden soll, der bislang für die Gartenanlage prägenden Charakter hat). Belanglos bleibt, ob dies mit Eingriffen in die Bausubstanz einhergeht oder nur optisch wirkt (LG München, Urt. v. 20.9.2012 – 36 S 1982/12, IMR 2013, S. 193 zum Streichen der Hausfassade in neuem absetzenden Farbkonzept statt bisher in einheitlicher gelber Farbe), und ebenso, ob die Veränderung dauerhaften oder nur vorübergehenden Charakter trägt (LG Berlin, Urt. v. 3.12.2019 – 55 S 18/19 WEG, Grundeigentum 2020, S. 208 zu einer nicht fest verankerten, sondern leicht auszuhängenden Außentreppe).
Die WEG-Reform gibt nun abweichend zum bisherigen Recht folgende Systematik vor (§ 20 WEG-E):
- Bauliche Veränderungen sollen wesentlich leichter und einfacher umsetzbar sein. Sie können jetzt durch die Gemeinschaft grds. mit einfacher Mehrheit (§ 20 Abs. 1 WEG-E, beachte aber § 20 Abs. 3 WEG-E) beschlossen oder einzelnen Eigentümern durch Beschluss gestattet werden (Abs. 1; Begründung, S. 70, vorletzter Abs.). Im Unterschied zum bisherigen Recht (§ 22 Abs. 1 WEG) bedarf es keines besonderen Quorums mehr. Deshalb richtet sich die Anfechtungsmöglichkeit nur noch nach § 20 Abs. 4 WEG-E (Begründung, S. 70, vorletzter Abs. und S. 75, 2. Abs.): Beschlüsse, die dagegen verstoßen, sind nicht nichtig, sondern "nur" anfechtbar (Begründung, S. 75, 2.Abs.). Spiegelbildlich: Werden sie nicht fristgerecht angefochten, werden sie bestandskräftig. Denn ein Verstoß gegen § 20 Abs. 4 WEG-E beschneidet nicht die Beschlusskompetenz der Gemeinschaft, sondern lässt sie i.S.v. § 20 Abs. 1 WEG-E unangetastet.
- Insgesamt benötigt jede bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eine Beschlussgrundlage, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich bedeutsamer Weise beeinträchtigt wird (Begründung, S. 69, 5. Abs.). Der Beschluss ist mit einfacher Mehrheit zu fassen (Abs. 1).
- Privilegierte bauliche Veränderungen können auch von einzelnen Eigentümern verlangt werden (Abs. 2).
- Andere bauliche Änderungen können von einzelnen Eigentümern verlangt werden, wenn alle anderen Eigentümer damit einverstanden sind, deren Rechte über das unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden (Abs. 3).
- Grundlegende Umgestaltungen der Wohnanlage sind nicht beschluss- oder gestattungsfähig. Dies gilt auch für bauliche Veränderungen, die einzelne Eigentümer ohne deren Einverständnis im Verhältnis zu den übrigen Gemeinschaftsmitgliedern unbillig benachteiligen (Abs. 4).
- Beschlüsse zu baulichen Veränderungen sind nur noch dann anfechtbar, wenn sie gegen § 20 Abs. 4 WEG-E verstoßen (Grenze der grundlegenden Umgestaltung der Anlage ist überschritten oder einzelne Wohnungseigentümer werden ohne ihr Einverständnis unbillig gegenüber anderen beeinträchtigt; der Beschluss entspricht nicht ordnungsmäßiger Verwaltung; Begründung, S. 75, 3. Abs.).
- Beschlüsse zu baulichen Veränderungen, die diese Schwelle nicht erreichen und die mit einfacher Mehrheit beschlossen wurden, sind von der überstimmten Minderheit hinzunehmen. Das gilt ebenso für Beschlüsse, deren Auswirkungen unterhalb der Schwelle unbilliger Beeinträchtigung ohne Einverständnis bleiben. Ausschließende Nutzungsregelungen Einzelner führen mangels deren Pflicht zur Tragung der Kosten der beschlossen baulichen Veränderung (§ 21 Abs. 3 S. 2 WEG-E) ebenso nicht zum Anfechtungsgrund (Begründung, S. 75, 3. Abs.). Auch bloße Veränderungen des optischen Gesamteindrucks der Anlage geben keinen Anfechtungsgrund mehr (Begründung, S. 75, 3. Abs.).
Abweichend zum bisherigen § 22 WEG unterscheidet das neue Recht damit zwei verschiedene Kategorien baulicher Veränderungen. Weiterhin wird danach differenziert, ob sie ein einzelner Eigentümer fordert oder ob sie der gesamten Gemeinschaft dienen sollen.
1. Privilegierte bauliche Veränderungen
§ 20 Abs. 2 WEG-E zeigt 4 Kategorien baulicher Maßnahmen:
- Maßnahmen zur Barrierereduzierung von Zugängen und Räumen (vgl. auch § 13 Abs. 2 WEG-E). Der Anspruchsteller muss auf diese Maßnahme nicht angewiesen sein (Begründung, S. 71, 5. und vorletzter Abs.),
- Herstellung oder Verbesserung einer Ladeinfrastruktur zur Nutzung von E-Mobilität (Begründung, S. 72,1. Abs.); der Anspruch setzt das Recht zum Abstellen eines Elektrofahrzeugs (Sondereigentum, Sondernutzungsrecht, Recht zum Mitgebrauch) an der begehrten Stromtankstelle voraus; ansonsten ist die Forderung "unangemessen" (Begründung, S. 72, vorletzter Abs.),
- Maßnahmen zur Erhöhung der Einbruchsicherheit und
- Maßnahmen zur Verbesserung und Beschleunigung von Telekommunikation (Glasfaseranschluss: Begründung, S. 69, 4. Abs. und S. 73, 3. Abs.). Gerade für Glasfaseranschlüsse ist bisher umstritte...