In zwei kürzlich ergangenen Entscheidungen haben sich der Europäische Gerichtshof und das Gericht der EU zur Frage geäußert, ob Notare und Rechtsanwälte aus der EU Rechtsdienstleistungen für russische Regierungsstellen, Organisationen oder Firmen erbringen dürfen. Hintergrund beider Entscheidungen ist das sog. 8. Sanktionspaket der EU, das als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg verbietet, direkt oder indirekt Rechtsberatungsdienste für die Regierung Russlands oder in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen (Verordnung [EU] 2022/1904).
In dem ersten hierzu vom EuGH entschiedenen Fall, der ihm vom LG Berlin zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, hatte ein Notar die notarielle Beurkundung eines Kaufvertrags über eine Berliner Wohnung, die einer russischen Gesellschaft gehört, verweigert, da er nicht ausschließen könne, gegen dieses Verbot zu verstoßen. Hierzu führte das Luxemburger Gericht aus, dass deutsche Notarinnen und Notare mit der notariellen Beurkundung eines Kaufvertrags unabhängig und unparteiisch Aufgaben im Allgemeininteresse wahrnehmen, welche ihnen vom Staat übertragen worden seien. Sie würden bei der notariellen Beurkundung ausschließlich im Interesse des Gesetzes und der Rechtssicherheit handeln und förderten keine spezifischen Interessen der Parteien. Auch Handlungen, die über die notarielle Beurkundung hinausgingen und der Sicherung des Vollzugs des beurkundeten Kaufvertrags dienten, stellten hierbei keine Rechtsberatung dar. Darüber hinaus stellte der EuGH fest, dass dies auch für Dolmetscherinnen und Dolmetscher gilt, die im Rahmen einer notariellen Beurkundung tätig werden (EuGH, Urt. v. 5.9.2024 – C-109/23).
Der zweite Fall, der vom Gericht der EU entschieden wurde, betraf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch Rechtsanwälte aus der EU. Hier hatten die Anwaltskammer Paris sowie mehrere belgische Rechtsanwaltskammern Nichtigkeitsklagen gegen das Sanktionspaket eingereicht, die jedoch alle vom Gericht der EU in erster Instanz abgewiesen wurden (Urt. v. 2.10.2024 – T-797/22 u.a.). Zwar betonte das Gericht in seiner Entscheidung, dass jedermann das in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannte Recht auf einen effektiven gerichtlichen’Rechtsschutz habe, zu dem auch das Recht gehöre, in einem gegenwärtigen oder zu erwartenden Rechtsstreit von einem Anwalt beraten und vertreten zu werden. Dieses Recht wird nach Auffassung der europäischen Richter durch das Sanktionspaket aber nicht infrage gestellt. Denn das dort enthaltene generelle Verbot, Rechtsberatungsdienstleistungen für die russische Regierung sowie in Russland niedergelassene juristische Personen, Organisationen oder Einrichtungen zu erbringen, erfasse keine Rechtsberatungsdienstleistungen, die im Zusammenhang mit einem Gerichts-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren erbracht würden. Das Verbot gelte also nur für solche Rechtsberatungen, die keinen Bezug zu einem Gerichtsverfahren hätten. Ebenso wenig falle eine Rechtsberatung, die für natürliche Personen erbracht würde, unter das Verbot. Gegen die Entscheidung des Gerichts der EU können die’klagenden Anwaltskammern allerdings noch Rechtsmittel zum EuGH einlegen.
Unterstützt wurden die klagenden Kammern von der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer, die in dem Verfahren als Streithelferin auftrat. Sie kritisiert nicht nur das 8. Sanktionspaket der EU, das ihrer Auffassung nach zu weit gefasst ist; insb. wehrt sich die Kammer auch gegen Pläne der Bundesregierung zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, in denen vorgesehen ist, Verstöße gegen das Verbot der Erbringung von Rechtsberatung explizit unter Strafe zu stellen. Darin sieht die BRAK eine „pauschale Stigmatisierung anwaltlicher Beratung” und macht auch verfassungsrechtliche Bedenken geltend.
[Quellen: EuGH/BRAK]