Auf dem Weg zum Großen Senat für Strafsachen dürfte sich eine (An-)Frage befinden, die der 2. Strafsenat des BGH (BGH, Beschl. v. 1.6.2016 – 2 StR 335/15, StRR 8/2016, 15) aufgeworfen hat. Das LG hatte die Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB) verurteilt. Die Angeklagten hatten einen anderen mit Gewalt zur Herausgabe von Heroin gezwungen. Der 2. Strafsenat des BGH hält die Revisionen für begründet. Er will davon ausgehen, dass die Nötigung zur Übertragung von unerlaubtem Besitz an Betäubungsmitteln nicht strafrechtlich geschütztes Vermögen betrifft und daher nicht den Tatbestand der Erpressung (§ 253 StGB) erfüllt. Er hat deshalb bei den anderen Strafsenaten des BGH angefragt, ob sie dem zustimmen oder an entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
Zur Begründung wird darauf verwiesen (vgl. BGH, a.a.O.), dass es kein strafrechtlich schutzwürdiges Vermögen außerhalb des Rechts gebe. Auch der Besitz sei nur dann ein Bestandteil des geschützten Vermögens, wenn er auf einem Recht zum Besitz beruht. Der strafbare Besitz von Betäubungsmitteln sei deshalb kein durch Strafrecht zu schützendes Rechtsgut. Vielmehr sei der Verlust dieses unerlaubten Besitzes gerade der rechtlich erwünschte Zustand. Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitze (§§ 29 Abs. 1 Nr. 3, 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG), und gegen denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung (§ 263 StGB) oder Nötigung (§§ 253, 255 StGB) entziehe, stelle einen offenkundigen Widerspruch dar. Zugleich fehle es an einer Legitimation des Staates zur Bestrafung der auf die Entziehung eines seinerseits strafbaren Besitzes gerichteten Handlung unter dem speziellen Gesichtspunkt eines Vermögensdelikts. Die Argumente der Gegenansicht (strafrechtfreier Raum, Besitzschutz nach §§ 858 ff. BGB u.a.) seien nicht tragfähig. Drogen hätten zwar auf dem Schwarzmarkt gerade wegen ihrer Illegalität hohen, auf dem legalen Markt hingegen gar keinen Wert. Nach Auffassung des 2. Strafsenats ist die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung des Drogenbesitzes auch nicht deshalb geboten, weil in angrenzenden Fällen, in denen dem Opfer die Betäubungsmittel weggenommen werden, ein Eigentumsdelikt vorläge. Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen würden auch an anderer Stelle hingenommen und zwängen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals "Vermögen" auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken. Der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheine zudem seinerseits nicht zwingend (dafür aber BGH NJW 2006, 72). Werden Betäubungsmittel entgegen eines strafrechtlichen Verbots hergestellt, entstehe kraft bürgerlichen Rechts (§§ 950, 953 BGB) jedenfalls kein vollwertiges Eigentum. Die Eigentumsposition des Herstellers bestehe praktisch nur aus Pflichten zur Ablieferung an die Behörden oder Vernichtung der Drogen, während seine Rechte gem. §§ 903, 985 ff. BGB durch die Verbote nach § 29 BtMG ausgeschlossen seien. Ein Schutz seiner formalen Positionen durch das Strafrecht als "ultima-ratio" sei nicht geboten. Gleiches gelte für den Gewahrsam des Erwerbers.
Hinweis:
Die Ansicht des 2. Strafsenats stellt eine Abkehr von dem herrschenden ökonomisch-juristischen Vermögensbegriff zurück zu einer rein juristischen Betrachtungsweise, gleichsam eine Rückkehr zum "zivilistischen Denken" im Strafrecht dar (vgl. dazu die Nachweise in BGH, a.a.O.; s.a. Deutscher StRR 8/2016, 15 f.). Man kann m.E. davon ausgehen, dass die anderen Strafsenate diesen Schritt nicht tun werden und damit die Rechtsfrage durch den Großen Senat für Strafsachen entschieden werden muss.