Es ist seit jeher umstritten, ob dem nur für den Abschluss eines Vergleichs im Wege der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt allein die Einigungsgebühr aus der Staatkasse zusteht oder ob er sämtliche durch den Abschluss des Einigungsvertrags angefallenen Gebühren, also auch die Differenzverfahrens- und die Differenzterminsgebühr, aus der Staatskasse erhält. Diesen Streit wollte der Gesetzgeber durch Einfügung des § 48 Abs. 3 S. 1 RVG durch das 2. KostRMoG dahin klären, dass dem beigeordneten Anwalt alle im Zusammenhang mit dem Abschluss des Einigungsvertrags angefallenen Gebühren aus der Staatskasse zustehen. Die Rechtsprechung hat diese Regelung jedoch teilweise dahin eingeschränkt, dass sie nur im Falle des Abschlusses eines Einigungsvertrags in Ehesachen anwendbar ist (so OLG Celle – 10. Senat – AGS 2015, 236; OLG Koblenz AGS 2014, 348; OLG Dresden AGS 2914, 347; OLG Köln AGS 2015, 89; a.A. OLG Celle – 15. Senat – AGS 2014, 580; OLG Celle – 21. Senat – AGS 2016, 488). Demgegenüber hat nach Auffassung des BGH (RVGreport 2018, 315 [Hansens] = AGS 2018, 141) ein bedürftiger Verfahrensbeteiligter in einer selbständigen Familiensache einen Anspruch auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf sämtliche im Zusammenhang mit dem Mehrvergleich ausgelösten Gebühren.
Das KostRÄG 2021 greift die Rechtsprechung des BGH auf und ordnet in der Neufassung des § 48 Abs. 1 S. 2 RVG für alle Fälle des Mehrvergleichs in sämtlichen Verfahrensordnungen an, dass der Anspruch des bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse auf die gesamte gesetzliche Vergütung gerichtet ist, die durch die von der Beiordnung erfassten Tätigkeiten entstanden sind. Im Falle der Erstreckung der Beiordnung auf den Abschluss eines Vergleichs stehen dem beigeordneten Anwalt somit alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen aus der Staatskasse zu, die durch seine Tätigkeiten entstanden sind, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich waren. Dies gilt auch dann, wenn sich die Beiordnung oder die Bewilligung der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe allein auf den Abschluss eines Vergleichs beschränkt. Diese Regelung findet ferner auch dann Anwendung, wenn die Bewilligung oder Beiordnung in einem Prozesskostenhilfe- bzw. Verfahrenskostenhilfe-Bewilligungsverfahren erfolgt ist.
Beispiel 2:
Rechtsanwalt K ist dem bedürftigen Kläger in dem Rechtsstreit, in dem es um eine Klageforderung i.H.v. 10.000 EUR geht, im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet worden. In dem Verhandlungstermin verhandeln die Parteien über die Klageforderung und erörtern eine weitere, nicht anhängige Forderung des Klägers über 3.000 EUR. In dem hieraufhin protokollierten Vergleich einigen sich die Parteien sowohl über die Klageforderung als auch über die nicht anhängige Forderung. Das Prozessgericht erstreckt auf Antrag des Rechtsanwalt K die Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung auch auf die Protokollierung des gerichtlichen Vergleichs.
1. Gebühren nach derzeitiger Rechtslage
Unter Berücksichtigung der herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung stehen dem Rechtsanwalt K aus der Staatskasse folgende Gebühren zu:
a) 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
399,10 EUR |
b) 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
368,40 EUR |
c) 1,0 Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
307,00 EUR |
d) 1,5 Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 3.000 EUR) |
301,50 EUR |
zu c) und d) gem. § 15 Abs.3 RVG nicht mehr als eine 1,5 Einigungsgebühr (Wert: 13.000 EUR) mit |
481,00 EUR, die hier die Obergrenze bilden |
Summe: |
1.249,00 EUR |
2. Gebühren nach dem KostRÄG 2021
Rechtsanwalt K erhält aus der Staatkasse folgende Gebühren:
a) 1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
440,70 EUR |
b) 0,8 Verfahrensgebühr, Nr. 3100, 3101 Nr. 1 VV RVG (Wert: 3.000 EUR) |
222,40 EUR |
zu a) und b) gem. § 15 Abs.3 RVG nicht mehr als eine 1,3 Verfahrensgebühr (Wert: 13.000 EUR) mit |
460,20 EUR, die hier die Obergrenze bilden |
c) 1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
424,80 EUR |
d) 1,0 Einigungsgebühr, Nr. 1000, 1003 VV RVG (Wert: 10.000 EUR) |
339,00 EUR |
e) 1,5 Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV RVG (Wert: 3.000 EUR) |
417,00 EUR |
zu d) und e) gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als eine 1,5 Einigungsgebühr (Wert: 13.000 EUR) |
531,00 EUR, die hier die Obergrenze bilden |
Summe: |
1.416,00 EUR |
Daraus ergibt sich nach künftigem Recht eine um rund 13 % höhere Vergütung als bisher.