(EuGH, Urt. v. 21.12.2021 – C-146/20, C-188/20, C-196/20, C-270/20, C-263/20, C-395/20) • 1. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.2.2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung” im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg” i.S.v. Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird; dies gilt auch dann, wenn das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.
2. Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrtunternehmen” im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reiseunternehmen bei dem Luftfahrtunternehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat.
3. Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass sich die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges im Sinne dieser Bestimmungen für die Zwecke der Ausgleichszahlung gem. Art. 7 der Verordnung aus einem „anderen Beleg” i.S.v. Art. 2 Buchst. g der Verordnung ergeben kann, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat.
4. Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass ein Flug als „annulliert” zu betrachten ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt.
5. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er nicht für einen Fall gilt, in dem die Ankunftszeit eines vorverlegten Fluges innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Grenzen liegt.
6. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die vor Reisebeginn an den Fluggast gerichtete Mitteilung über die Vorverlegung des Fluges ein Angebot einer anderweitigen Beförderung i.S.d. letztgenannten Bestimmung darstellen kann.
7. Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er eine Ausgleichszahlung gem. Art. 7 der Verordnung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Verlangen ggf. beifügen soll; das Luftfahrtunternehmen muss den Fluggast jedoch nicht über den genauen Betrag der Ausgleichszahlung unterrichten, die er unter Umständen nach Art. 7 der Verordnung beanspruchen kann.
Hinweis: Wurde ein bestimmter Flug gebucht, kann u.U. auch dann ein Ausgleichsanspruch gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen bestehen, wenn ihm die Buchung nicht übermittelt wurde (Anm. der Red.: s. dazu Anwaltsmagazin ZAP 2022, S. 54 [in dieser Ausgabe]).
ZAP EN-Nr. 82/2022
ZAP F. 1, S. 67–68