Behält sich der Übertragende zur eigenen Altersabsicherung Nutzungsrechte wie ein Nießbrauchrecht oder ein Wohnrecht vor, hemmt dies i.d.R. den Fristbeginn der Zehnjahresfrist. Gemäß dem BGH kann eine den Fristbeginn auslösende Leistung nur dann vorliegen, wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand weiterhin im Wesentlichen zu nutzen, sei es aufgrund des Vorbehalts dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche (BGH, Urt. v. 27.4.1994 – IV ZR 192/93, NJW 1994, 1791). Beim Vorbehaltsnießbrauch gibt der Erblasser den Genuss des verschenkten Gegenstandes gerade nicht auf, wodurch die Frist erst mit dem Erlöschen des Nießbrauchrechts beginnt (BGH, a.a.O., NJW 1994, 1791). Dies wird bei einem lebenslangen Nießbrauchrecht i.d.R. erst mit dem Tod des Übertragenden eintreten. Bei dem Vorbehalt eines Quotennießbrauchs wird vertreten, dass die Frist zumindest dann zu laufen beginnt, wenn sich der Übertragende einen Anteil von weniger als 50 % vorbehalten hat (Grüneberg/Weidlich, § 2325 BGB, Rn 27 m.w.N.).
Beim Wohnungsrecht hängt die Frage nach dem Fristbeginn maßgeblich vom Einzelfall ab. Soweit sich das vorbehaltene Wohnungsrecht auf das gesamte Grundstück bezieht, dürfte es wie das Nießbrauchrecht zu behandeln sein. Betrifft das Wohnungsrecht hingegen nur einen Teil des verschenkten Gegenstandes, beispielweise das Recht wird sich an einer von mehreren Wohnungen vorbehalten, soll dies den Fristbeginn nicht hemmen (BGH, Urt. v. 29.6.2016 – IV ZR 474/15, NJW 2016, 2957). So auch zuletzt das OLG Zweibrücken:
Zitat
„Hat sich der Erblasser bei der Übertragung eines Grundstücks ein ausschließliches Wohn- und Benutzungsrecht an einer von zwei Wohnung sowie das Mitbenutzungsrecht an gemeinschaftlichen Anlagen und Einrichtungen vorbehalten, steht dies der Annahme einer Leistung i.S.v. § 2325 Abs. 3 S. 2 BGB nicht entgegen” (OLG Zweibrücken, Beschl. v. 1.9.2020 – 5 U 50/19, ZEV 2021, 404).
Hinweis:
Behält sich der Übertragende ein o.g. Nutzungsrecht vor, wird dies als Schenkung unter Auflage bewertet und kann den Wert des geschenkten Gegenstandes reduzieren. Zu beachten ist das Niederstwertprinzip. Danach findet ein Wertvergleich des Gegenstandes zum Zeitpunkt der Schenkung und dem Erbfall unter Berücksichtigung des Kaufkraftverlustes statt (BGH, NJW 1994, 1791. Das vorbehaltene Nutzungsrecht darf bei der Pflichtteilsergänzung nur dann mindernd berücksichtigt werden, wenn es tatsächlich auf den Grundstückswert im Zeitpunkt der Schenkung ankommt. Ist dies nicht der Fall, bleibt das Nutzungsrecht unberücksichtigt, da es für den Berechtigten keine wertmindernde Belastung mehr darstellen kann (Damrau/Tanck/Riedel, Praxiskommentar Erbrecht, § 2325 BGB, Rn 126). Kommt es auf den Zeitpunkt der Schenkung an, sind in einem zweiten Schritt die o.g. Nutzungsrechte in Höhe des kapitalisierten Betrags abzuziehen (BGH, NJW 1994, 1791). Der verbleibende Restbetrag unterliegt der Pflichtteilsergänzung.