Erst im vergangenen Jahr hatte der EuGH strenge Anforderungen an die Transparenz von Zeitaufwandsklauseln aufgestellt (dazu und zu den Konsequenzen für die Anwaltspraxis s. Schons ZAP 2024, 929 ff.). Da die Vorgaben der Luxemburger Richter jedoch eher vage waren, herrscht nach wie vor Unsicherheit darüber, wie man Zeithonorare wirklich rechtssicher gestalten kann. Nun hat sich auch der BGH zu solchen Klauseln geäußert (Urt. v. 12.9.2024 – IX ZR 65/23, vgl. ZAP 2024, 957, in diesem Heft). Ob er mit seiner jüngsten Entscheidung jedoch für mehr Klarheit gesorgt hat, wird in ersten Kommentaren bereits bezweifelt.
Anders als vor dem EuGH, der sich mit einer Vorlage eines litauischen Gerichts zu befassen hatte, spielte der vom BGH jetzt entschiedene Fall in Bayern. Hier hatte der Mandant in einer erb- und familienrechtlichen Auseinandersetzung mit seinem Rechtsanwalt für verschiedene Mandate jeweils eine Vergütungsvereinbarung geschlossen, die von der Kanzlei vorformuliert waren. Sie enthielten neben einem vereinbarten Stundensatz auch Bestimmungen zur Erhöhung des Stundensatzes, zur Auslagenpauschale, zur Einigungs- und zur Befriedungsgebühr sowie Streit- und Anerkennungsklauseln. Der Rechtsanwalt klagte auf Zahlung der gesamten vereinbarten Vergütung, der Mandant weigerte sich und forderte zudem die Rückerstattung bereits gezahlten Honorars. Er hielt die Vergütungsvereinbarung für unwirksam.
Am Ende bekam der Mandant vom BGH sogar Recht; der IX. Senat störte sich sowohl an einzelnen Klauseln aber auch an der Kombination der verschiedenen Klauseln in der Vergütungsvereinbarung. Dadurch sei für den Rechtssuchenden nicht mehr erkennbar, welche Vergütung er dem Rechtsanwalt am Ende bezahlen müsse. Auch sei eine Auslagenpauschale nicht mit dem Grundgedanken des Zeithonorars vereinbar, da sie den Stundensatz unangemessen erhöhe. Überhaupt: Die Koppelung einer Vergütungsvereinbarung nach Stunden mit Elementen des RVG sei nicht möglich, weil hier völlig unterschiedliche Ansätze der Vergütung vorlägen, die nicht miteinander kombiniert werden dürften. Fazit der Bundesrichter: Eine solche Vergütungsvereinbarung verstößt gegen § 307 Abs. 1 BGB, weil sie den Mandanten unangemessen benachteiligt. Als Konsequenz aus der ungültigen Honorarvereinbarung sprachen sie dem Rechtsanwalt (lediglich) eine Vergütung nach den gesetzlichen Vorschriften zu, also dem RVG. Diese muss nun die Vorinstanz, das OLG Nürnberg, ermitteln.
Bemerkenswert an der Entscheidung ist jedoch nicht, dass der BGH die „ausgefeilten” Klauseln des Kollegen gekippt hat. Auffällig ist vielmehr, dass er sich in der Begründung der Entscheidung in einen gewissen Widerspruch zu den Vorgaben des EuGH gesetzt hat. Dieser hatte betont, dass eine Zeitaufwandsvereinbarung nicht den Transparenzvorgaben des Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (EU-Richtlinie 93/13/EWG) genüge, wenn dem Verbraucher vor Vertragsschluss nicht die Informationen erteilt worden seien, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsschlusses zu treffen. Daraus hatten Gebührenrechtler die Empfehlung abgeleitet, dass dem Mandanten bereits bei Begründung des Mandats der Umfang der auf ihn zukommenden Kosten abschätzbar dargelegt werden sollte; alternativ wurde empfohlen, in angemessenen Zeitabständen abzurechnen (s. etwa Schons, a.a.O.). Ebenso lautete auch die Empfehlung der Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern aus April dieses Jahres (dazu ZAP 2024, 559 f.).
Demgegenüber entschied jetzt der IX. Senat, dass „eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede [...] auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam [ist], weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen.”
Obwohl der Senat sich damit ausdrücklich nicht im Widerspruch zum EU-Recht sieht, sind Zweifel angebracht. Die Karlsruher Richter setzen in ihrer Entscheidung letztlich ihre eigene Auslegung der genannten EU-Richtlinie derjenigen des EuGH entgegen. Ob dieser sich das gefallen lässt, bleibt abzuwarten. Zwar hat auch Schons (a.a.O.) darauf hingewiesen, dass es Unterschiede zwischen dem litauischen und dem deutschen Gebührenrecht gibt, und eine direkte Übertragbarkeit der EuGH-Entscheidung auf deutsche Fälle angezweifelt; Unsicherheiten bleiben dennoch. Der bekannte Berufsrechtler Martin W. Huff formulierte in einer ersten Stellungnahme bereits: „Ob die Abweichung von der EuGH-Rechtsprechung wirklich ausreichend begründet ist, ist zu bezweifeln; jeder Rechtsanwalt sollte sich genau überlegen, ob er nicht auf der sicheren Seite der EuGH-Entschei...