Unter Digitalisierungsgesichtspunkten hat sich die Rechtsetzung auf nationaler Ebene durch den Digitalcheck verändert. Im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP (vgl. www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/koalitionsvertrag-2021-1990800, S. 9) findet sich das Ziel, im Vorfeld von Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit der digitalen Ausführung zu prüfen (sog. Digitalcheck). Seit dem 1.1.2023 existiert nunmehr dieser Digitalcheck. Der Nationale Normenkontrollrat (NKR) ist für die Prüfung der Nachvollziehbarkeit der Digitaltauglichkeit der Regelungsentwürfe zuständig. Der Digitalcheck gilt für alle Regelungsvorhaben (Gesetze, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften).

Seit dem 1.1.2023 werden Gesetze und Verordnungen des Bundes ausschließlich im elektronischen Bundesgesetzblatt verkündet ( www.recht.bund.de) auf der Grundlage des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 82) vom 19.12.2022 (BGBl 2022 I, S. 2478) und auf der Grundlage des Gesetzes zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens vom 20.12.2022 (BGBl 2022 I, S. 2752 ff.). Der wesentliche Unterschied zu dem bereits bislang unter www.bgbl.de verfügbaren Bundesgesetzblättern besteht darin, dass es sich jetzt nicht mehr nur um eine elektronische Kopie handelt, sondern um die verbindliche amtliche Fassung.

  • Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung (§ 128a ZPO)

Auch wenn die Möglichkeit, Verhandlungen im Wege der Bild- und Tonübertragung bereits seit dem 1.1.2002 in § 128a ZPO vorgesehen war (vgl. BGBl 2001 I, S. 1887, 1889), wurde diese Option bis zur Corona-Pandemie kaum genutzt. Das hat den Gesetzgeber aber auch schon 2005 nicht davon abgehalten, weiter an der Vorschrift zu arbeiten. So wurde für den Fall der Beweisaufnahme per Videokonferenz eine wechselseitige Übertragung der Vernehmung in den Gerichtssaal und an den Aufenthaltsort der zu vernehmenden Person ergänzt. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass die Vernehmung einer Beweisperson per Videokonferenz sinnvollerweise nur dann stattfinden kann, wenn die im Gerichtssaal Anwesenden ihr unmittelbar Fragen stellen können (vgl. BT-Drucks 15/4067, S. 31). Im Jahr 2013 hat der Gesetzgeber erneut an § 128a ZPO gearbeitet (vgl. BT-Drucks 17/12418, S. 14). Seither kann das Gericht nicht mehr nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen nach pflichtgemäßem Ermessen den Einsatz der Videokonferenztechnik gestatten. In dem Diskussionspapier „Modernisierung des Zivilprozesses” der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts, des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Bundesgerichthofs wurde schon im Jahr 2021 die Schaffung einer gesetzlichen Möglichkeit für eine „virtuelle Verhandlung” unter Aufgabe des Erfordernisses eines Sitzungssaals vorgeschlagen. Der Grundsatz der Öffentlichkeit könne dadurch gewahrt werden, dass die Videoverhandlung in einen vom Gericht bestimmten Raum live übertragen werde, an dem jedermann die Sitzung in Bild und Ton mitverfolgen könne. Das Bundesministerium der Justiz hat im November 2022 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vorgelegt (vgl. https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Videokonferenztechnik.pdf?__blob=publicationFile&v=2 ), der darauf abzielte, die nötige gesetzliche Grundlage zu schaffen. Es folgte Ende Mai 2023 ein Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten (vgl. BR-Drucks 228/23). Inzwischen liegt auch eine Stellungnahme des Bundesrats (vgl. BR-Drucks 228/23 Beschl.) und die Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrats (BT-Drucks 20/8095, Anl. 4) vor. Die wesentlichen Reformideen betreffend die Videoverhandlung stellen sich wie folgt dar:

 
  Referentenentwurf Entwurf der BReg Stellungnahme BR Gegenäußerung BReg
Anordnung Neben Gestattung auch Anordnung durch Gericht Neben Gestattung auch Anordnung durch Gericht
Rechtsbehelf Antrag der Verfahrensbeteiligten, sie von der Anordnung einer Videoverhandlung auszunehmen Einspruchsmöglichkeit, die dazu führt, dass das Gericht die Anordnung für alle Verfahrensbeteiligten aufzuheben hat
Begründungs-erfordernis Für den Fall, dass das Gericht den Antrag auf Gestattung oder Anordnung einer Videoverhandlung ablehnt, soll die Entscheidung begründet werden Kein Begründungserfordernis Ablehnung
Übereinstimmende Anträge der Parteien auf Durchführung einer Videoverhandlung Soll-Vorschrift, die das Entscheidungsermessen des Gerichts so einschränkt, dass eine Videoverhandlung i.d.R. anzuordnen ist Soll-Vorschrift, die das Entscheidungsermessen des Gerichts so einschränkt, dass eine Videoverhandlung i.d.R. anzuordnen ist Pflichtgemäßes, nicht begrenztes Ermessen des Gerichts Ablehnung
Ort Dem Gericht sollte im Rahmen der Gestattung oder Anordnung einer Videoverhandlung ermögli...

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