- Verfahrensgrundsätze des Zivilprozesses
Die Justizministerinnen und -minister haben sich bei ihrer Frühjahrskonferenz 2023 in Berlin über die Bedeutung und einen möglichen Strukturwandel der Verfahrensgrundsätze des Zivilprozesses ausgetauscht. Es sei angezeigt, die bestehenden Verfahrensgrundsätze mit Blick auf Digitalisierungsphänomene zu überprüfen. Außerdem sei es denkbar, dass sich mit Blick auf die Digitalisierung zukünftig neue Verfahrensgrundsätze entwickeln könnten (vgl. www.justiz.nrw.de/JM/jumiko/beschluesse/2023/Fruehjahrskonferenz_2023/top-i8-verfahrensgrundsaetze-und-digitalisierung.pdf ).
- Strukturierung des Prozessstoffs
Im Jahr 2021 wurde in dem Diskussionspapier „Modernisierung des Zivilprozesses” die Einführung eines Basisdokuments vorgeschlagen. Die Parteien sollen ihren Vortrag nicht mehr in unterschiedlichen Dokumenten halten, sondern in ein gemeinsames Basisdokument einbringen. Dieses gemeinsame Basisdokument solle dann den Tatbestand des Urteils ersetzen. Außerdem hat die Arbeitsgruppe einen „Strukturierungstermin” zur Sprache gebracht. Dieser solle zeitlich vor dem Haupttermin stattfinden und den Parteien eine zeitnahe mündliche Erörterung ermöglichen. Besprochen werden könnten gütliche Streitbeilegungsmöglichkeiten. Es könnte auch festgelegt werden, inwiefern der Prozessstoff abgeschichtet werden sollte. In dem Erörterungstermin könnten außerdem bereits Hinweise für die Strukturierung des Parteivorbringens erteilt werden.
Beim 9. Deutschen Baugerichtstag im Frühjahr 2023 hat der Arbeitskreis III (Bauprozessrecht) diese Ideen dem Grundsatz nach aufgegriffen. Es wurde die Empfehlung ausgesprochen, geeignete Wege für eine Strukturierung des Prozessstoffs zu erproben. Wichtig sei aber, dass die anwaltlichen Vortragsmöglichkeiten dadurch inhaltlich nicht beschränkt würden. Denkbar sei es, die Darstellung in einem geeigneten digitalen Dokument mit vorgegebener Struktur vorzunehmen, auf das alle Beteiligten zugreifen können. Allerdings solle diese alternative Form des Vortrags nur im Einvernehmen der Parteien und des Gerichts stattfinden. In einer weiteren Empfehlung hat der Deutsche Baugerichtstag dem Gesetzgeber empfohlen, in § 139 ZPO gesetzliche Vorkehrungen dafür zu schaffen, dass in Bauprozessen spätestens nach Eingang des vierten Schriftsatzes (Duplik) schriftliche Hinweise erteilt und prozessleitende Maßnahmen (insb. durch Erlass eines Beweisbeschlusses) ergriffen werden. Ergänzend könne auf Anregung des Gerichts oder auf Anregung einer Partei zeitnah ein Strukturierungstermin durchgeführt werden.
In dem Forschungsvorhaben „Strukturvorgaben für den Parteivortrag im Zivilprozess” der Universität Regensburg, des bayerischen Staatsministeriums der Justiz und des Niedersächsischen Justizministeriums wird derzeit ein Prototyp für ein elektronisches Basisdokument in einem Reallabor getestet. Die Anwendung, die über https://app.parteivortrag.de aufgerufen werden kann, ermöglicht das Editieren und Erstellen eines Basisdokuments.
- Elektronischer Nachrichtenraum
In dem Diskussionspapier „Modernisierung des Zivilprozesses” wurde im Jahr 2021 die Einrichtung eines elektronischen Nachrichtenraums angeregt. Die Idee war es, ein formloses Kommunikationsmedium für die gerichtliche Kommunikation mit den Parteien zu schaffen. Diese Idee wurde beim 9. Deutschen Baugerichtstag im Frühjahr 2023 aufgegriffen. Der Deutsche Baugerichtstag hat die Empfehlung ausgesprochen, für einen formlosen und schnellen Austausch in Anwaltsprozessen zwischen den Prozessbevollmächtigten und dem Gericht einen elektronischen Nachrichtenraum zur Verfügung zu stellen. Dabei dürfe es sich indes nicht um einen Chatroom handeln. Vielmehr bedürfe es einer klaren Struktur und ordnender Elemente. Für den Moment hielt der Deutsche Baugerichtstag die Nutzung eines elektronischen Nachrichtenraums ausschließlich für Terminabsprachen und die Abstimmung eines Vergleichstextes für sinnvoll. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die Nutzung des elektronischen Nachrichtenraums auch gerichtlich beauftragten Sachverständigen offenstehen solle.
- Digitales Potenzial im Zustellungsrecht
Bereits im Jahr 2021 wurde in dem Diskussionspapier „Modernisierung des Zivilprozesses” empfohlen, die Zustellung gegen elektronisches Empfangsbekenntnis zu reformieren. Die Arbeitsgruppe sah seinerzeit zwei denkbare Modelle. Einerseits könne man das elektronische Empfangsbekenntnis durch eine automatisierte Eingangsbestätigung ersetzen. Andererseits könne aber auch eine Zustellungsfiktion erwogen werden. Die Justizministerinnen und -minister haben bei ihrer Frühjahrskonferenz 2023 in Berlin festgestellt, dass die gesetzliche Regelung der elektronischen Zustellung die Vorteile der elektronischen Kommunikation noch nicht voll ausschöpft. Zum einen solle der Kreis der zur Entgegennahme elektronischer Zustellungen verpflichteten Personen und Organisationen auf Unternehmen erweitert werden, an die typischerweise in sehr großer Zahl Zustellungen erfolgen. Zum anderen solle...