Hat der mitverantwortliche Geschädigte bereits von dritter Stelle (z.B. Kaskoversicherung, Sozialversicherung, Lohnfortzahlung, Unfallversicherung) teilweise Ersatz seines Schadens erhalten, kann ihm dies nicht – etwa im Wege der Vorteilsausgleichung – auf seinen um den Mitverschuldensanteil gekürzten Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger entgegengehalten werden. Zwar ist, damit der Geschädigte nicht an dem Schadensfall verdient, in zahlreichen Gesetzen ein Forderungsübergang vorgesehen, wie z.B. in § 86 VVG, § 6 EFZG, § 76 BBG, § 116 SGB X, § 127 AFG. Umgekehrt darf die Schadensersatzleistung durch Dritte den Geschädigten aber auch nicht benachteiligen, weshalb in solchen Fällen nach allen Regelungen der Forderungsübergang nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers/Geschädigten geltend gemacht werden kann (z.B. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG). Insoweit spricht man vom Quotenvorrecht des Geschädigten (für Kaskoversicherung: BGHZ 13, 28, 29; BGHZ 82, 338, 340; für Leistungen nach dem Beamtengesetz: BGHZ 22, 136, 138; BGH VersR 1967, 902).
Beispiel:
Hat der Geschädigte bei einem Verkehrsunfall einen Fahrzeugschaden von 10.000 EUR erlitten und hat ihm seine Kaskoversicherung 6.000 EUR ersetzt, kann er von dem Schädiger die übrigen 4.000 EUR verlangen, wenn dieser zu 40 % haftet; haftet der Schädiger zu 20 %, kann der Geschädigte 2.000 EUR verlangen. In beiden Fällen hat kein Anspruchsübergang auf den Kaskoversicherer stattgefunden. Haftet der Schädiger zu 60 %, kann der Geschädigte von ihm seinen Restschaden i.H.v. 4.000 EUR verlangen, während i.H.v. 2.000 EUR der Schadensersatzanspruch gem. § 86 VVG auf den Kaskoversicherer übergegangen ist.
Das Quotenvorrecht bezieht sich aber nur auf die sog. kongruenten Schadenspositionen, d.h. diejenigen, für die der Dritte bzw. die jeweilige Versicherung einstandspflichtig ist (BGHZ 25, 340, 342, 180; BGHZ 82, 338, 340; OLG Celle NZV 2011, 505; vgl. auch BGH NJW 2010, 677 für Fahrzeugvermietung). In der Kaskoversicherung fallen unter die kongruenten Schäden: Reparaturkosten, Minderwert, Sachverständigenkosten, Abschleppkosten, Umbaukosten und Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert. Inkongruente Schäden sind dagegen: Nutzungsausfall, Mietwagenkosten, Unkostenpauschale, Anwaltskosten, Ummeldekosten, Schadensfreiheitsrabatt, Prämiennachteile aus der Hochstufung der Kaskoversicherung, Behandlungskosten und Schmerzensgeld.
Beispiel:
Hat z.B. A bei einem Verkehrsunfall einen Schaden von 10.000 EUR erlitten (Reparaturkosten: 5.000 EUR, Wertminderung: 500 EUR, SV-Kosten: 500 EUR; Mietwagenkosten: 1.000 EUR; Schmerzensgeld: 3.000 EUR), wobei ihm sein Kaskoversicherer auf Reparaturkosten, Wertminderung und SV-Kosten 5.000 EUR bezahlt hat, kann A bei einem Mitverschulden von 50 % von seinem Unfallgegner noch 3.000 EUR verlangen, nämlich 1.000 EUR auf Reparaturkosten, Wertminderung und SV-Kosten sowie 500 EUR Mietwagenkosten und 1.500 EUR Schmerzensgeld.
Praxishinweis:
Um Nachteile für den Mandanten zu vermeiden, muss der Anwalt ihn stets nach einer Kfz-Schadensmeldung bei seinem Kaskoversicherer und nach etwaigen Versicherungsleistungen fragen. Im Falle einer Zahlung sollten die einzelnen Schadenspositionen – wie in einer Checkliste – nach Kongruenz und Inkongruenz getrennt aufgeführt werden. Nach Berücksichtigung des Mitverursachungsanteils des Mandanten darf die Zahlung des Kaskoversicherers nur den kongruenten Schadenspositionen, und zwar zunächst nur dem Haftungsanteil (Eigenschaden) des Mandanten, zugeordnet werden. Erst eine überschießende Zahlung des Versicherers ist dem Geschädigten anzurechnen, allerdings nur auf die kongruenten Schadenspositionen. Im Hinblick auf die inkongruenten Schadenspositionen kommt also eine Anrechnung der Leistung des Kaskoversicherers niemals in Betracht.
Besonders liegt es, wenn der durch einen Verkehrsunfall Geschädigte mit dem angehörigen Schädiger in häuslicher Gemeinschaft lebt. Dann ist er gegenüber dem Schädiger und dessen Haftpflichtversicherer grundsätzlich auch insoweit aktivlegitimiert, als er Schadensersatzleistungen verlangt, die mit den ihm vom Sozialversicherungsträger zu erbringenden Sozialleistungen kongruent sind. Ein Verlust der Aktivlegitimation durch Übergang seiner diesbezüglichen Forderung auf den Sozialversicherungsträger gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X ist aufgrund des Familienprivilegs des § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X ausgeschlossen. Eine Übertragung des Regelungsinhalts des § 83 Abs. 3 VVG auf § 116 Abs. 6 SGB X im Wege der Auslegung oder Analogie ist ausgeschlossen (BGH NJW 2018, 1242 Rn 11 ff.). Zur Rechtsfolge bei Unfallverursachung auch durch einen Fremdschädiger s. oben unter III. 4. a).
Autor: RiBGH Dr. Christian Grüneberg, Karlsruhe
ZAP F. 9, S. 1163–1172