Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung sind Teil des physischen Existenzminimums, für sie gelten die vom BVerfG im Urt. v. 9.2.2010 (s.o. II) postulierten verfahrensrechtlichen Anforderungen zur realitätsgerechten und nachvollziehbaren Bedarfsermittlung.
Die vielfältigen Rechtsfragen, die sich hierbei ergeben, können im Rahmen dieser Abhandlung nur im Überblick dargestellt werden, für Einzelheiten ist etwa zu verweisen auf die detaillierten Ausführungen bei Berlit in Berlit/Conradis/Pattar, Existenzsicherungsrecht, a.a.O., Kap. 28.
Bedarfe für Unterkunft und Heizung – zu diesen gehören auch die sog. kalten Betriebskosten, § 556 Abs. 1 S. 2 BGB – werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, allerdings nur, soweit diese angemessen sind, § 22 Abs. 1 S. 1. Die Angemessenheit – der anspruchslimitierende Funktion zukommt – wird im Gesetz nicht definiert. Faktoren zur Beurteilung der Angemessenheit der Unterkunftskosten sind Wohnfläche, Wohnstandard und das marktübliche, örtliche Mietzinsniveau. Bei der Überprüfung der tatsächlichen Aufwendungen stellt die Rechtsprechung insb. auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und angemessenem Quadratmeterzins ab (sog. Produkttheorie). Die Angemessenheit der Unterkunftskosten unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff uneingeschränkter gerichtlicher Überprüfung. Das BSG verlangt insoweit von den Leistungsträgern die Erstellung eines schlüssigen Konzepts, von dem angenommen werden kann, dass es die aktuellen örtlichen Verhältnisse des Wohnungsmarkts zutreffend wiedergibt. Zu den Mindestvoraussetzungen eines solchen Konzepts s. etwa BSG, Urt. v. 30.1.2019 – B 14 AS 41/18 R und Berlit, a.a.O., Rn 52. Lassen sich entsprechende Feststellungen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln und kommt auch ein Rückgriff auf einen Mietspiegel nicht in Betracht, so können die Gerichte kein eigenes schlüssiges Konzept erstellen (s. zuletzt BSG, Urt. v. 3.9.2020 – 14 AS 39/19 R u. 40/19 R); die tatsächlichen Aufwendungen sind dann zu übernehmen, allerdings begrenzt durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG, wobei diese Werte regelmäßig um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöht werden (s. zuletzt BSG, Urt. v. 3.9.2020 – B 14 AS 34/19 R).
Die Angemessenheit von Heizkosten ist anhand bundesweiter oder regionaler Heizkostenspiegel zu ermitteln. Unangemessenheit liegt erst vor, wenn für die tatsächlich anfallenden Kosten im Einzelfall keine besonderen Gründe bestehen. Nach Maßgabe von § 22 Abs. 10 kann eine Gesamtangemessenheitsgrenze (Aufwendungen für Unterkunft und Heizung) bestimmt werden.
Unangemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind zu übernehmen, soweit eine Unterkunftsalternative nicht besteht und eine Kostensenkung nicht durch Wohnungswechsel, Vermieten oder auf andere Weise erreicht werden kann, i.d.R. jedoch längstens für sechs Monate, § 22 Abs. 1 S. 3. Würden sich die bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen als unwirtschaftlich erweisen, ist aber eine Kostensenkung nicht zu fordern, § 22 Abs. 1 S. 4.
Hinweis:
Im Hinblick auf die COVID-19-Pandemie ist bei Leistungen für Bewilligungszeiträume ab dem 1.3.2020 bis derzeit zum 31.12.2020 § 22 Abs. 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung für die Dauer von sechs Monaten als angemessen gelten, § 67 Abs. 1 u. 3 S. 1 – nähere Bestimmungen hierzu treffen Abs. 3 S. 2–3 und die Vereinfachter-Zugangs-VerlängerungsVO.
Seit dem 1.4.2011 kann die Angemessenheitsgrenze durch Satzung bestimmt werden, s. näher § 22a, die gerichtliche Kontrolle erfolgt im Normenkontrollverfahren durch LSG (§ 55a SGG) und BSG (§ 160 Abs. 1 SGG). Größere praktische Bedeutung kommt dieser Regelung bislang nicht zu.
Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erhalten Leistungen für Unterkunft nur unter den einschränkenden Voraussetzungen von § 22 Abs. 5.
Die vorstehenden Ausführungen beziehen sich auf Mietwohnungen. Bei selbstbewohntem Wohnungseigentum – soweit dieses als Vermögen nach § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 geschützt ist – werden unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur grds. übernommen, s. näher § 22 Abs. 2. Gleiches gilt u.a. auch für Zinsen für ein zur Finanzierung des Wohneigentums aufgenommenes Darlehen, für Tilgungsleistungen aber nur in Ausnahmefällen, wenn lediglich noch eine Restschuld abzutragen ist und der – generell einer Berücksichtigung entgegenstehende – Aspekt der privaten Vermögensbildung in den Hintergrund tritt (BSG, Urt. v. 3.12.2015 – B 4 AS 49/14 R, Rn 20).
Im Falle eines Umzugs sind Wohnungsbeschaffungskosten (u.U. auch Maklerkosten und doppelte Mietaufwendungen) und Umzugskosten zu übernehmen. Voraussetzung ist eine vorherige Zusicherung der Kostenübernahme, grds. durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen Leistungsträger (bei Aufwendungen für Mietkaution und den Erwerb von Genossenschaftsanteilen, die nur als Darlehen erbracht werden sollen, ist eine Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen Träger herb...