Als Strafverteidiger wird man von vorwiegend im Zivilrecht tätigen Kollegen nicht selten auf Ablehnungsgesuche, vulgo Befangenheitsanträge, angesprochen, die im Strafverfahren zu einem gängigen prozessualen Mitteln gehören, im Zivilrecht jedoch Seltenheitswert genießen. Die Fragen erfolgen meist im Zusammenhang mit dem geschilderten Verhalten eines Zivilrichters, über das sich der Kollege geärgert hat. Fragt man, weshalb er kein Ablehnungsgesuch angebracht habe, erhält man nicht selten zur Antwort, dass er „sowas” noch nie gemacht habe und bei Licht betrachtet auch gar nicht wisse, wie das gehe. Die Hemmschwelle, in einer außergewöhnlichen Prozesssituation ein prozessuales Mittel anzuwenden, mit dem man nicht vertraut ist, ist hoch. Kaum etwas ist peinlicher, als mit großem Trommelwirbel Anträge zu stellen, die dann postwendend als unzulässig beschieden werden. Der Umstand, dass der Anwalt dann einige Tage der Belustigung i.R.d. richterlichen Kaffeerunde dienlich ist, wiegt dabei deutlich weniger schwer als der Gesichtsverlust gegenüber der Mandantschaft, die sich zu Recht fragt, wie dies passieren konnte.
Was also braucht es, damit der Anwalt nicht Gefahr läuft, mit einem Ablehnungsgesuch zu scheitern?
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Ablehnungsberechtigte § 42 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass das Ablehnungsrecht beiden Parteien zusteht. Hier ist das Wort „Parteien” entscheidend, denn es kommt nur darauf an, dass der Richter aus Sicht der Partei den Boden der Neutralität verlassen hat. Hegt hingegen nur der Anwalt die Besorgnis, der Richter könne befangen sein, steht ihm kein eigenes Ablehnungsrecht zu. Wer also ein Ablehnungsgesuch formuliert, der achte darauf, dass nicht er selbst ablehnt, sondern die vertretene Partei. |
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Besorgnis der Befangenheit eines Richters Die Partei muss besorgen, der Richter könnte befangen sein gem. § 42 Abs. 2 ZPO. Das Augenmerk ist hier auf die „Besorgnis” einerseits und den „Richter” andererseits zu legen. Es bedarf zunächst der Ablehnung eines bestimmten Richters, der im Antrag namentlich zu nennen ist. Eine Ablehnung beispielsweise der „10. Zivilkammer des Landgerichts” ist unzulässig. Entscheidend ist auch nicht, ob ein Richter tatsächlich befangen ist. Ein Richter, der in seiner dienstlichen Stellungnahme, deren Abgabe § 44 Abs. 3 ZPO vorsieht, erklärt, er fühle sich nicht befangen, zeigt, dass er die Grundzüge des Ablehnungsrechts nicht durchdrungen hat. Die Befangenheit als innere Tatsache wird man nicht aufklären können, weshalb es hierauf nicht ankommen kann. Voraussetzung ist vielmehr, dass eine Partei die berechtigte Besorgnis hegt, der Richter könne der Sache nicht (mehr) mit der gebotenen Neutralität gegenüberstehen, sei es durch Äußerungen oder durch Prozesshandlungen. Die Kasuistik, wann eine Befangenheit zu besorgen ist, ist vielgestaltig und würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Als Beispiele seien genannt besondere Näheverhältnisse des Richters zu einer Partei, die Parteinahme zugunsten einer Partei oder Verstöße gegen Sachlichkeits- und Gleichbehandlungsgebot. |
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Unverzüglichkeit „Hic Rhodus, hic salta” [nach Aesop, lat. „Hier ist Rhodos, hier springe!” Bedeutung: Hier zeige, beweise, was Du kannst!] gilt im Hinblick auf den Zeitpunkt der Ablehnung. § 43 ZPO enthält den spezielleren Heilungstatbestand und ist insofern lex specialis zu § 295 ZPO. Wer sich vor dem Richter einlässt, dessen Befangenheit er besorgt oder Anträge bei diesem stellt, verliert sein Ablehnungsrecht mit der Folge, dass der in der Mitwirkung des Richters liegende Verfahrensfehler als geheilt anzusehen ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Kenntnis des Prozessbevollmächtigten über den Ablehnungsgrund seiner Partei zugerechnet wird. Tritt während des schriftlichen Verfahrens ein Ablehnungsgrund zutage, ist das Ablehnungsgesuch schriftlich anzubringen. In der mündlichen Verhandlung besteht die Möglichkeit, es zu Protokoll zu erklären gem. § 44 Abs. 1 ZPO. |
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Glaubhaftmachung Der Ablehnungsgrund ist schließlich glaubhaft zu machen gem. § 44 Abs. 2 ZPO. Hierzu genügt es, auf die dienstliche Erklärung des Richters Bezug zu nehmen. Daneben kommt die eidesstattliche Versicherung, die nicht von der Partei selbst stammen darf, als weiteres Mittel der Glaubhaftmachung in Betracht. |
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Rechtsmittel Gegen ein Ablehnungsgesuch, das für unbegründet erklärt wurde, findet die sofortige Beschwerde gem. § 567 ZPO binnen Wochenfrist, § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO, statt (vgl. § 46 Abs. 2 ZPO). |
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Mut Das erste Ablehnungsgesuch gegen einen Richter – egal ob im Zivil- oder Strafverfahren angebracht – braucht neben der Beachtung der Formalien ein wenig Mut. Ablehnungsgesuchen haftet der Geruch des Querulantentums an. Hiervon darf sich der Anwalt im wohlverstandenen Interesse der vertretenen Partei indes nicht beeindrucken lassen. Besorgt eine Partei mit guten Gründen die Voreingenommenheit eines Richters, ist es nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht eines Parteivertreters, auf die Ablösung des Richters hinzuwirken. |
*Zugunsten einer besse...