Mit Blick auf den in seiner Bedeutung erheblich reduzierten Freiwilligkeitsvorbehalt stellt sich dem Arbeitgeber die Frage nach möglichen rechtssichereren Handlungsalternativen zur Flexibilisierung der variablen Vergütung. Hierbei rücken Ermessensregelungen in den Fokus, wenn das BAG (v. 16.1.2013 – 10 AZR 26/12, NZA 2013, 1013; vgl. Sura, a.a.O.; Niklas, ArbRB 2018, 353; Lingemann/Pfister/Otte, NZA 2015, 65; Reinfelder, a.a.O., 10, 14 ff.) formuliert:
„Eine Klausel in einem Arbeitsvertrag (AGB), mit der dem Arbeitgeber ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht zur Entscheidung über die Höhe einer jährlichen Zuwendung vorbehalten wird, hält der AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB regelmäßig stand, insb. wenn es sich um eine Gratifikation handelt, die nach dem Arbeitsvertrag keinen Entgeltcharakter hat. In derartigen Fällen findet § 315 BGB Anwendung. Die jährlich vom Arbeitgeber zu treffende Leistungsbestimmung muss billigem Ermessen entsprechen. Ob dies der Fall ist, kann der Arbeitnehmer nach § 315 Abs. 3 BGB vom Arbeitsgericht überprüfen lassen.”
Das BAG sieht in der Klausel weder einen Freiwilligkeitsvorbehalt noch einen unzulässigen Änderungsvorbehalt gem. § 308 Nr. 4 BGB. Auch sei die Klausel nicht intransparent gem. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Sie stelle keine unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB dar und verstoße ebenfalls nicht gegen den Grundsatz pacta sunt servanda. Diese Rechtsprechung hat der Zehnte Senat fortgeführt (vgl. Lingemann/Otte, NJW 2014, 2400) und im Jahr 2014 im Fall des Bonusanspruchs eines Bankmitarbeiters geurteilt: Hat ein Arbeitgeber nach § 315 BGB über einen Bonusanspruch zu entscheiden, der gleichermaßen auf der Ertragslage des Unternehmens wie auf der Leistung des Arbeitnehmers beruht, muss ein festzusetzendes Bonusbudget – in Abhängigkeit von der Ertragslage – regelmäßig eine Größenordnung erreichen, die den Leistungsbezug des Bonussystems beachtet und ausreicht, die durch Abschluss von Zielvereinbarungen angestrebten und tatsächlich erbrachten Leistungen angemessen zu honorieren. Die Leistungsbestimmung entspricht in einem solchen Fall regelmäßig nur dann billigem Ermessen, wenn vereinbarte und erreichte persönliche Ziele ihren angemessenen Ausdruck in dem festgelegten Leistungsbonus finden. Deshalb kommt, wenn der Arbeitnehmer die Ziele erreicht, nur in Ausnahmefällen (z.B. die Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009) eine Festsetzung des Bonus auf „Null” in Betracht (BAG v. 19.3.2014 – 10 AZR 622/13, a.a.O.). Beide vorgenannten höchstrichterlichen Entscheidungen zeigen, dass sowohl reine Gratifikationen als auch Leistungen mit Entgeltcharakter ins Ermessen des Arbeitgebers gestellt werden können. Hieraus ergeben sich weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen dienstvertraglichen Leistungsbonus, der sich aus der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank ergibt und der jährlich für das abgelaufene Jahr festgesetzt wird, ist auf Bestimmung der Leistung nach billigem Ermessen gem. § 315 Abs. 1 BGB gerichtet. Das beinhaltet die Möglichkeit, nicht nur bei kumulativer Nichterreichung aller Ziele, sondern im Ausnahmefall auch bei Nichterreichung eines Teils der Ziele keinen Leistungsbonus zu zahlen. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) und sie enthält weder einen unzulässigen Änderungsvorbehalt (§ 308 Nr. 4 BGB) noch eine unzulässige Benachteiligung (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Festsetzung des Leistungsbonus auf „Null” trotz Erreichung vereinbarter persönlicher Ziele entspricht ausnahmsweise billigem Ermessen i.S.v. § 315 Abs. 1 BGB, wenn für ein Geschäftsjahr besonders gewichtige, außergewöhnliche Umstände vorgelegen haben, insb. wenn der Arbeitgeber staatliche Liquiditätshilfen in Milliardenhöhe in Anspruch genommenen hat, die der Rettung von Banken und ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Abwehr schwerer Gefahren für die Volkswirtschaft dienten (BAG v. 15.5.2013 – 10 AZR 679/12, AP Nr. 111 zu § 315 BGB). Der in einer vertraglichen Vereinbarung zur Gewährung einer zusätzlichen Vergütung enthaltene Hinweis auf den für die Gestaltung maßgeblichen „Rahmen des rechtlich Zulässigen” ist als Inbezugnahme der Regelung des § 315 BGB zu verstehen. Die Leistungsbestimmung hat demzufolge nach billigem Ermessen zu erfolgen. Die Implementierung eines Ausschlusskriteriums in die Richtlinien zur Ermittlung einer zusätzlichen variablen Vergütung entspricht nicht billigem Ermessen, wenn sie einen dem Grunde nach bestehenden vertraglichen Anspruch des Arbeitnehmers unterläuft. Ist arbeitsvertraglich dem Wortlaut nach ein zusätzlich zum Bruttogehalt zu zahlender variabler Gehaltsbestandteil vereinbart, ist dies mit einem gänzlichen Absehen von einer Tantiemenzahlung unvereinbar, wenn diese Vergütung nicht lediglich als Möglichkeit dargestellt wird, sondern dem Wortlaut nach vereinbart ist, insb., wenn ein Hinweis auf einen potenziellen kompletten Wegfall der v...