Bewerben sich schwerbehinderte Beschäftigte auf eine ausgeschriebene Stelle und sehen sich die bei der Auswahl aufgrund ihrer Schwerbehinderung übergangen, kommt wegen dieses Vorgehens ein Anspruch auf Schadensersatz in Betracht. Der in Betracht kommende Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich dieses Gesetzes eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u.a. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 164 Abs. 2 S. 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 164 Abs. 2 S. 2 SGB IX die Regelungen des AGG.
Hinweis:
§ 15 Abs. 2 AGG räumt dem Gericht bei der Bestimmung der Höhe der Entschädigung einen Ermessensspielraum ein (vgl. BAGE 170, 340), weshalb eine Bezifferung des Zahlungsantrags nicht notwendig ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, mithin auch der Verstoß des Arbeitgebers des öffentlichen Dienstes gegen die in § 165 S. 3 SGB IX geregelte Pflicht, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer-)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grds. geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (vgl. etwa BAGE 169, 302; BAGE 167, 1; BAGE 156, 107). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt allerdings das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (vgl. etwa BAGE 169, 302).
Das BAG hebt in seinem Urteil vom 29.4.2021 (8 AZR 279.20) hervor, dass Maßstab für die fachliche Eignung eines Bewerbers bzw. einer Bewerberin der Aufgabenbereich des zu besetzenden Arbeitsplatzes sei. Ob ein schwerbehinderter Mensch für eine zu besetzende Stelle fachlich ungeeignet sei i.S.v. § 165 S. 4 SGB IX, sei demnach anhand eines Vergleichs zwischen dem (fachlichen) Anforderungsprofil des zu besetzenden Arbeitsplatzes und dem (fachlichen) Leistungsprofil des Bewerbers oder der Bewerberin zu ermitteln.
Erfüllten schwerbehinderte bzw. ihnen gleichgestellte behinderte Menschen nach ihren Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei eine ihrerseits diskriminierungsfrei und auch im Übrigen zulässig bestimmte fachliche Eignungsanforderung nicht, die im Anforderungsprofil ausdrücklich und eindeutig bezeichnet sei, reiche dies allein allerdings nicht aus, um den Arbeitgeber nach § 165 S. 4 SGB IX von der in § 165 S. 3 SGB IX bestimmten Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu befreien. Der Arbeitgeber, der – gestützt auf § 165 S. 4 SGB IX – von einer Einladung eines schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten behinderten Bewerbers absehen wolle, müsse, da ihn die Darlegungs- und Beweislast dafür treffe, dass er von der Einladungsverpflichtung befreit sei, demnach nicht nur darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass das fachliche Leistungsprofil des Bewerbers „unzweifelhaft” nicht dem (fachlichen) Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle entspreche. Der Arbeitgeber müsse zudem auch darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass er andere Bewerber/innen, die ebenso insoweit das Anforderungsprofil nicht erfüllten, weder zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen noch letztlich eingestellt habe.