Die Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB spielt in der Praxis des Verkehrsstrafrechts eine große Rolle. Dabei steht, v.a. wenn es um die sog. relative Fahruntüchtigkeit geht, die Frage im Vordergrund, ob bei einer Verurteilung ausreichende tatsächliche Feststellungen hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit getroffen worden sind. Damit hat sich das BayObLG vor Kurzem noch einmal auseinandergesetzt (BayObLG, Beschl. v. 13.2.2023 – 203 StRR 455/22, DAR 2023, 397). Das BayObLG geht davon aus, dass, wenn dem Tatrichter mangels (verwertbarer) Blutprobe, verlässlicher Erkenntnisse über das Trinkgeschehen oder „beweissicherer” Atemtests nicht möglich ist, eine annähernd bestimmte Alkoholkonzentration festzustellen, die Annahme von alkoholbedingter Fahrunsicherheit gleichwohl nicht ausscheide. Eine alkoholbedingte relative Fahruntüchtigkeit könne auch ohne die Feststellung oder die Berechnung einer Blutalkoholkonzentration nachgewiesen werden. Des Nachweises einer bestimmten Mindest-Atemalkoholkonzentration oder einer Mindest-Blutalkoholkonzentration bedürfe es hingegen nicht; die Verurteilung des Angeklagten nach § 316 StGB setzt nicht den sicheren Nachweis einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von mind. 0,3 ‰ voraus. Eine BAK von 0,42 ‰ reicht nach Auffassung des LG Stralsund ohne Vorliegen von Alkohol-Ausfallerscheinungen in Gestalt von konkreten Fahrfehlern nicht aus, von Fahruntüchtigkeit auszugehen (LG Stralsund, Beschl. v. 7.10.2022 – 26 Qs 195/22).
Wird vom Angeklagten ein Nachtrunk behauptet, hat das Gericht – vor der Rückrechnung – zunächst zu prüfen, ob die Nachtrunkbehauptung als glaubhaft zu bewerten ist. Kann die Behauptung eines Nachtrunks nicht mit der erforderlichen Sicherheit widerlegt werden, so muss es klären, welche Alkoholmenge der Angeklagte maximal nach der Tat zu sich genommen haben kann (BayObLG, Beschl. v. 15.8.2023 – 203 StRR 317/23). Bei der Berechnung des Nachtrunks ist zugunsten des Angeklagten mit dem nach medizinischen Erkenntnissen jeweils niedrigsten Abbauwert, Resorptionsdefizit und Reduktionsfaktor zu rechnen (BayObLG, a.a.O.). Das LG Oldenburg hat sich mit der Frage der Widerlegung einer sog. Nachtrunkbehauptung befasst (LG Oldenburg, Beschl. v. 24.5.2022 – 4 Qs 155/22, DAR 2022, 705 = VRR 7/2022, 21 = StRR 10/2022, 28).
Hinweis:
Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist bei einer Nachtrunkbehauptung, vorrangig deren Richtigkeit zu prüfen. Dabei können Indizien die Angaben von Zeugen zum angeblichen Nachtrunk, der Zeitablauf, aber auch das Vorhandensein von geleerten oder angebrochenen Alkoholflaschen in Reichweite, z.B. am Wohnort, von Bedeutung sein. Erst wenn diese Einlassung nicht widerlegt werden kann, kommt die Frage der Berechnung dieses Nachtrunks mit Blick auf den Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit ins Spiel (BayObLG, a.a.O.; LG Oldenburg, a.a.O.; zur Nachtrunkbehauptung Staub/Dronkovic/Danner, DAR 2022, 672).
Nach Auffassung des LG Hannover ist eine schwierige Sachlage i.S.v. § 140 Abs. 2 StPO nicht allein mit dem Umstand zu begründen, dass ein Sachverständiger am Verfahren beteiligt ist. Die Notwendigkeit der sachverständigen Beurteilung eines behaupteten Nachtrunks sei kein Grund für die Bestellung eines Pflichtverteidigers (LG Hannover, Beschl. v. 5.9.2023 – 63 Qs 38/23).
Der Nachweis einer drogenbedingten Fahrunsicherheit i.S.v. § 316 StGB kann für eine Drogenfahrt nicht allein durch einen bestimmten Blutwirkstoffbefund geführt werden (BGH, Beschl. v. 2.8.2022 – 4 StR 231/22, NStZ 2022, 741; vgl. u.a. auch BGHSt 44, 219, 221). Vielmehr müssen weitere aussagekräftige Beweisanzeichen vorliegen, die im konkreten Einzelfall belegen, dass die Gesamtleistungsfähigkeit des Kraftfahrzeugführers so weit herabgesetzt gewesen ist, dass er nicht mehr fähig gewesen ist, sein Fahrzeug im Straßenverkehr eine längere Strecke, auch bei Eintritt schwieriger Verkehrslagen, sicher zu steuern. Dies muss das Tatgericht anhand einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände beurteilen. Für eine Verurteilung nach § 316 Abs. 1 Alt. 2 StGB muss zudem ein erkennbares äußeres Verhalten des Fahrzeugführers festgestellt werden, das auf seine durch den Cannabiskonsum hervorgerufene Fahruntüchtigkeit hindeutet (AG Münster, Beschl. v. 9.8.2022 – 112 Cs 15/22, VA 2022, 178). Bei der Würdigung der Beweisanzeichen für die Frage der Fahruntüchtigkeit ist die konsumierte Substanz sowie deren Eignung zur Verursachung fahrsicherheitsmindernder Wirkungen festzustellen, bei unklaren oder Misch-Intoxikationen können ggf. aber auch Rückschlüsse aus dem Erscheinungsbild ausreichen, wenn nur die sichere Feststellung möglich ist, dass zur Zeit der Tat eine aktuelle Rauschmittelwirkung vorlag (LG Köln, Beschl. v. 25.2.2022 – 117 Qs 25/22, VA 2022, 88).
Die Frage, ob die sog. Grenzwertrechtsprechung in BGHSt 37, 89, 99 auch für die neu aufgekommene Fahrzeugklasse der Elektrokleinstfahrzeuge gilt, hat der BGH weiterhin offengelassen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.4.2023 – 4 StR 439/22, zfs 2023, 407 = StRR 6/2023, 22 = VRR 7/...