Der BGH hat in seinem Beschl. v. 23.4.2024 (4 StR 87/24) noch einmal zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr wegen Schießens im Straßenverkehr Stellung genommen. Das LG hatte den Angeklagten u.a. wegen eines Verstoßes gegen § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB verurteilt, weil das Fahrzeug des Geschädigten infolge der Schussabgabe durch den Angeklagten beschädigt worden war. Der BGH sieht das anders. Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB setze nämlich voraus, dass durch die Beschädigung eines fremden Fahrzeugs die Sicherheit des Straßenverkehrs beeinträchtigt worden sei. Die Beschädigung des Fahrzeugs müsse mithin das Mittel der Gefährdung gebildet haben und dieser also zeitlich und ursächlich vorausgehen (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 26.7.2011 – 4 StR 340/11 m.w.N.). Erschöpfe sich die Beeinträchtigung hingegen in der Beschädigung des fremden Kraftfahrzeugs, scheide die Anwendung von § 315b Abs. 1 Nr. 1 StGB aus.
Der BGH (Beschl. v. 23.4.2024 – 4 StR 87/24) hat jedoch den Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB als erfüllt angesehen. Dieser Tatbestand könne auch dann erfüllt sein, wenn die Tathandlung (hier: Abgabe des Schusses) unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung (Sachschäden am Kraftfahrzeug des Geschädigten) führt. Dies gelte allerdings nicht uneingeschränkt. Nicht jede Sachbeschädigung oder auch Körperverletzung im Straßenverkehr sei tatbestandsmäßig i.S.d. § 315b StGB. Vielmehr gebiete der Schutzzweck insoweit eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 215/22; Urt. v. 9.12.2021 – 4 StR 167/21 m.w.N.; Urt. v. 4.12.2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124). Dies sei der Fall, wenn die konkrete Gefahr jedenfalls auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte (Dynamik des Straßenverkehrs) zurückzuführen ist (u.a. BGH, Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 215/22; Urt. v. 9.12.2021 – 4 StR 167/21 m.w.N.; Urt. v. 4.12.2002 – 4 StR 103/02). Nach diesen Maßgaben ist der BGH von einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr ausgegangen. Anders als in den bisher entschiedenen Fällen, in denen der BGH ohne eingetretenen „Beinahe-Unfall” eine verkehrsspezifische Gefahr durch Pistolenschüsse auf Kraftfahrzeuge verneint habe (vgl. BGH, Beschl. v. 30.8.2017 – 4 StR 349/17; Beschl. v. 16.7.2015 – 4 StR 117/15; Beschl. v. 4.11.2008 – 4 StR 411/08), habe der vom Angeklagten abgegebene Schuss hier nicht die Seitenfläche, sondern die Stirnseite des vorwärts bewegten fremden Pkws getroffen. Bei der Schadensentstehung habe die Dynamik des Straßenverkehrs hier zumindest dadurch gefahrerhöhend gewirkt, dass im Auftreffen des Projektils zu dessen kinetischer Energie – anders auch als bei einem stehenden Fahrzeug als Ziel – jene Bewegungsenergie hinzukam, die mit der gegenläufigen Bewegung der Trefferfläche an dem nachfolgenden Kraftfahrzeug des Geschädigten verbunden war (vgl. auch zu Steinwürfen BGH, Urt. v. 9.12.2021 – 4 StR 167/21 m.w.N.). Dieser synergistische Effekt begründe ungeachtet der hohen Eigendynamik des auftreffenden Projektils unter den festgestellten Umständen die erforderliche, aber auch ausreichende innere Verbindung der eingetretenen konkreten Gefahr mit der Dynamik des Straßenverkehrs (vgl. allgemein BGH, Urt. v. 4.12.2002 – 4 StR 103/02, BGHSt 48, 119, 124 f.).
Nach der Rspr. des BayObLG ist aber der erforderliche Eintritt einer konkreten Gefahr bei einer Einwirkung auf ein im Straßenverkehr bewegtes Pferd nicht gegeben, wenn das Tier zwar kurzzeitig in Aufregung gerät, aber sogleich von dem Reiter unter Kontrolle gebracht werden kann (BayObLG, Beschl. v. 16.12.2022 – 202 StRR 110/22).