Nach Ansicht des BVerfG soll das Programm auf der "Grundlage einer Gesamtschau" keine geldpolitische, sondern eine "überwiegend wirtschaftspolitische Maßnahme" darstellen, denn die wirtschaftspolitischen Auswirkungen ergäben sich aus dem Programm selbst, seien angesichts des Umfangs und der Dauer von bereits mehr als zwei Jahren unverhältnismäßig, und in den zugrunde liegenden Beschlüssen fehle eine Abwägung der geldpolitischen Wirkung mit den wirtschaftspolitischen Effekten (vgl. BVerfG a.a.O., Rn 114 ff.). Die nationalen Geschäftsbanken könnten unter Nutzung des Programms risikobehaftete Anleihen von Mitgliedstaaten in großem Umfang aus deren Bilanzen aus- und in die Bilanzen der nationalen Notenbanken und EZB einlagern und auf diese Weise Papiere an das Eurosystem verkaufen, die sie ansonsten nicht oder nur unter Verlusten hätten abstoßen können. Zudem könnten sich die Mitgliedstaaten zu günstigeren Konditionen Kredite am Kapitalmarkt verschaffen, als dies ohne das Programm möglich wäre. All das sei zwar eine übliche und typische Folge der Geldpolitik, aber angesichts des Umfangs des Programms würde diese Folge die geldpolitische Zielsetzung der Annäherung des zur Begründung dienenden Inflationsziels von unter, aber nahe 2 % überragen, so dass die geldpolitische Maßnahme auch nicht mehr verhältnismäßig wäre. Aufgrund der nicht vorhandenen Abwägung der Beschlüsse sei eine Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem eine Beendigung des Programms zu erwarten sei, zumindest erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht (so das BVerfG a.a.O., Rn 120–123).
Auch diese Argumente können nicht überzeugen. Sofern das BVerfG eine Unverhältnismäßigkeit, d.h. eine Höherbewertung der wirtschaftspolitischen Folgen statt der geldpolitischen, annimmt oder anführt, dass der Einstieg in den Ausstieg nicht erkennbar sei, verkennt es das vorrangige Ziel der EZB:
Nach Art. 127 Abs. 1 AEUV ist vorrangiges Ziel der EZB Preisstabilität. Wenn dieses Ziel erreicht ist, soll auch gem. Art. 3 AEUV die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union unterstützt werden, d.h. die Verwirklichung eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und einer "in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt".
Hinsichtlich der Preisstabilität ist der Euro (bisher) erfolgreicher als die Deuchte Mark (DM). Seit 1999 ist es "nur" zu einer durchschnittlichen Preissteigerungsrate von ca. 2 % gekommen, was sowohl historisch als auch im internationalen Vergleich eine der stabilsten Währungen der Welt darstellt. Die DM wies für die Zeit zwischen 1950 und 1998 einen Durchschnittswert von 2,8 % auf (vgl. Issing, Der Euro, S. 1, 123). Eine Inflation von 2 % wird als "stabil" bezeichnet, obwohl rechnerisch nur 0 % wirklich stabil wären. Durch einen Wert von "unter, aber nahe 2 %" wird aber Stabilität angenommen, da es "Schnäppchen" und Qualitätsverbesserungen von Produkten gibt, die über den Warenindex nicht abgebildet werden können, und zudem ein Puffer für das Abgleiten in die Deflation vorhanden sein soll (vgl. Bofinger, Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 4. Aufl., S. 264). Alle großen Notenbanken weltweit streben mittlerweile diesen Wert an (vgl. Thiele, a.a.O., S. 30 m.w.N.; King, a.a.O., S. 173).
Wenn dies das vorrangige Ziel ist und rechtlich auch sein muss (Art. 127 AEUV), kann von einer Unverhältnismäßigkeit oder einem Übergewicht gegenüber anderen Gründen solange keine Rede sein, wie dieses primäre Ziel nicht erreicht ist. Weshalb der Zeitpunkt der Beendigung nicht ersichtlich sein soll, erschließt sich ebenfalls nicht. In dem Beschluss der EZB vom 4.3.2015 (EZB/2015/10) heißt es ausdrücklich: "Es [das PSPP-Programm] fördert damit insgesamt den Konsum und die Investitionsausgaben im Euro-Währungsgebiet und trägt somit dazu bei, dass die Inflationsraten sich mittelfristig wieder einem Niveau von unter, aber nahe 2 % annähern. In einem Umfeld, in dem die Leitzinsen der EZB ihre Untergrenze erreicht und die auf Vermögenswerte des privaten Sektors fokussierten Ankaufprogramme messbare, jedoch unzureichende Wirkung gezeigt haben, um den Risiken einer schwindenden Preisstabilität zu begegnen, ist es erforderlich, die geldpolitischen Maßnahmen des Eurosystems um das PSPP als ein Instrument mit hohem Transmissionspotenzial für die Realwirtschaft zu ergänzen" (BVerfG a.a.O., Rn 11).
Mervyn King, der über jeden Zweifel erhaben sein müsste, weil er als früherer Gouverneur der Bank of England außerhalb des Euro-Raums steht, klassifiziert die Maßnahmen als eindeutig geldpolitisch. Denn obwohl die Zentralbanken den Zins weltweit gesenkt haben (praktisch auf Null), sei eine Erholung nicht eingetreten. Damit verblieb als weitere geldpolitische Maßnahme nur die Erhöhung der Geldmenge durch den Ankauf von Staatsanleihen von Privaten, wobei erheblich mehr Geld "gedruckt" werden muss, um einen auch nur mäßigen Anstieg der Gesamtgeldmenge zu bewirken, weil Regierungen und Zentralbanken nur einen kleinen Teil der Geldmenge direkt st...