Die Parteien streiten im Rechtswegbestimmungsverfahren und in der Hauptsache über eine außerordentliche Kündigung. Die Klägerin ist Fremdgeschäftsführerin einer GmbH. Sie ist schwerbehindert mit einen GdB von 50. Die Klägerin kündigte Mitte Juli 2017 ihren Dienstvertrag ordentlich zu Ende 2018. Daraufhin kündigte die beklagte GmbH ihrerseits Ende Juli 2017 außerordentlich und berief die Klägerin mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführerin ab. Im August 2017 erhob die Klägerin Klage vor dem Arbeitsgericht, die auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gerichtet war. Der Dienstvertrag sieht u.a. vor, die Klägerin sei "als Organvertreterin Leitende Angestellte (§ 14 Abs. 1 KSchG)", schulde ihre "volle Arbeitskraft" und habe ihren Urlaub mit den "betrieblichen Belangen abzustimmen". Die Beklagte rügt den Rechtsweg und hält das LG für zuständig.
ArbG und LAG haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen bejaht. Das BAG (BAG, Beschl. v. 21.1.2019 – 9 AZB 23/18, ZAT 2019, 58 m. Anm.) hebt die Entscheidung auf und verweist den Rechtsstreit an das Landgericht. Erstens liegt dem ArbGG der nationale Arbeitnehmerbegriff zugrunde, weil das Gesetz nicht in Umsetzung von Unionsrecht ergangen ist. Alsdann sperre § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG nicht, da die Klägerin zum Zeitpunkt der Klageerhebung wegen der vorherigen Abberufung kein Organ mehr gewesen sei.
Die Klägerin habe die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung geltend gemacht; der Erfolg der Klage hänge, da § 626 BGB für Arbeits- und Dienstverträge gelte, nicht von ihrem Arbeitnehmerstatus ab, sog. "et-et-Fall". Ein "sic-non-Fall" liege nur dann vor, wenn die Klage nur Erfolg haben könne, wenn ein Arbeitsverhältnis in Rede stehe. In diesem Fall reiche für den Rechtsweg zum ArbG die bloße Rechtsbehauptung aus, es liege ein Arbeitsverhältnis vor. Bei den "et-et-" und "aut-aut-Fällen" bedürfe es dagegen eines schlüssigen Vortrags zum Bestehen eines Arbeitsverhältnisses. Den habe die Klägerin nicht vorgetragen. Weder der Dienstvertrag noch der Vortrag, sie unterliege Weisungen, genügt dafür. Die Weisungen sind allein die gesellschaftsrechtlich bestimmten nach § 37 GmbHG.
Zuletzt prüft der Senat, ob die Klägerin arbeitnehmerähnliche Person ist, weil diese als Arbeitnehmer i.S.d. § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG gelten und das LAG dies bejaht hatte. Der Neunte Senat verneint dies. Zwar liege das erste Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit vor, weil die Klägerin zur Sicherung ihrer Existenz-grundlage auf die Bezüge aus dem Dienstvertrag angewiesen sei. Es fehle aber am zweiten Merkmal: der einem Arbeitnehmer vergleichbaren sozialen Schutzbedürftigkeit. Dies folge aus dem Amt, den Vertretungsbefugnissen aus § 35 GmbHG und der Ausübung der Arbeitgeberfunktion.
Hinweise:
- Der Fremdgeschäftsführer einer GmbH nimmt Arbeitgeberfunktionen wahr und ist deshalb keine arbeitnehmerähnliche, sondern eine arbeitgeberähnliche Person. Der 9. Senat schließt sich dem 2. Senat (BAG, Urt. v. 24.11.2005 – 2 AZR 614/04, GmbHR 2006, 592 m. Anm. Haase) an und hält die Bejahung der Arbeitnehmereigenschaft bei Geltung des nationalen Arbeitnehmerbegriffs nur in "extremen Ausnahmefällen" für möglich (zur Anwesenheit des GmbH-Geschäftsführers zu den betrieblichen Arbeitszeiten: LAG Nürnberg, Beschl. v. 7.7.2016 – 7 Ta 48/16, BeckRS 2016, 118096). Der Neunte Senat stellt generell-abstrakt klar, dass bei einem Fremdgeschäftsführer eine "Arbeitgeberähnlichkeit" vorliegt.
- Vorsicht: Zahlreiche Gesetze, die Arbeitnehmerähnliche den Arbeitnehmern gleichstellen, gehen auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zurück. Diesen erfüllen jedoch Fremdgeschäftsführer (vgl. § 2 Abs. 2 BUrlG; § 6 Abs. 1 AGG; § 2 Abs. 2 ArbSchG; § 1 Abs. 2 Nr. 7 MuSchG; nationaler Begriff dagegen: § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflegeZG, § 2 Abs. 3 FPfZG und § 26 Abs. 8 Nr. 6 BDSG).
- Die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers soll – so der Neunte Senat – nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedürfen. Das entspricht der h.M., weil dem SGB IX nicht der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde liegt, so dass schwerbehinderte GmbH-Geschäftsführer insoweit schutzlos sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.10.2012 – 6 U 47/12, GmbHR 2012, 1347 m. Anm. Brötzmann).
- Der EuGH hält die Versagung des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Beamte unter Hinweis auf Art. 27 der Behindertenrechtskonvention (BRK) für eine unionswidrige Ungleichbehandlung (EuGH, Urt. v. 9.3.2017 – C-406/15). Soweit aber Art. 27 BRK unmittelbar geltendes Unionsrecht darstellt, stellt sich die Frage, ob es sachlich gerechtfertigt, ist, GmbH-Geschäftsführern diesen Schutz zu versagen?
- Der BGH (Urt. v. 26.3.2019 – II ZR 244/17, DB 2019, 1138) hat für einen Fall verbotener Altersdiskriminierung entschieden, dass Fremdgeschäftsführer einer GmbH, die nicht unter das KSchG fallen, Arbeitnehmer i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG sind (noch offen gelassen: BGH, Urt. v. 23.4.2012 – II ZR 163/10, GmbHR 2012, 845 m. Anm. Brötzmann). Der BGH folgt der durch "Dan...