Das Recht auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" setzt tatbestandlich voraus, dass das weitere Kind entbunden ist. Die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 BEEG kann nicht mit Wirkung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt werden, der noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind liegt (vgl. BAG, Urt. v. 8.5.2018 – 9 AZR 8/18, NZA 2018, 1195).
Bei einem Streit über Differenzvergütungsansprüche zwischen der bezahlten 24-Stundenwoche und der Vollzeitvergütung (39 Std.) unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs war die Klägerin der Ansicht, ihre vom 12.10.2015 bis zum 10.10.2017 dauernde Elternzeit "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" vorzeitig, gestützt auf die weitere Schwangerschaft, durch schriftliche Erklärung zum 12.10.2016 beendet zu haben. Die Arbeitgeberin lehnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit mit Schreiben vom 4.11.2016 aus betrieblichen Gründen ab. Die Klägerin bot ihre Arbeitskraft für eine Vollzeitbeschäftigung an und verlangte eine entsprechende Vergütung. Unter dem 10.2.2017 zeigte sie der beklagten Arbeitgeberin die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 31.3.2017 mit der Begründung an, sie befinde sich ab dem 1.4.2017 in Mutterschutz. Die Geburt ihres zweiten Kindes sei für den 12.5.2017 errechnet.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keine Ansprüche auf Vergütung wegen Annahmeverzugs nach § 615 S. 1 BGB i.V.m. § 611 Abs. 1 BGB. Gemäß § 293 BGB kommt der Gläubiger in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Der Umfang des Annahmeverzugs richtet sich grundsätzlich nach der arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Die Beklagte war nicht verpflichtet, die Klägerin vom 12.10.2016 bis zum 31.3.2017 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden zu beschäftigen. Die Eltern(teil)zeit der Klägerin wegen ihres ersten Kindes endete nicht vor dem 1.4.2017. Weder war eine Zustimmung des Arbeitgebers nach § 16 Abs. 3 S. 1 BEEG erteilt, noch bestand das einseitige Gestaltungsrecht nach § 16 Abs. 3 S. 2 BEEG.
Hinweis:
Das Recht auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" setzt tatbestandlich voraus, dass das weitere Kind entbunden ist. Die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 BEEG kann nicht mit Wirkung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt werden, der noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind liegt. Dies ergibt der Wortlaut der Vorschrift "wegen Geburt". Auch die systematische Stellung der Norm und deren Sinn und Zweck bestätigen dies. Die Überschneidung mehrerer Elternzeiten für verschiedene Kinder soll vermieden und die Elternzeit für jedes Kind nach Möglichkeit voll ausgeschöpft werden.
Deshalb muss eine zeitliche Kongruenz zwischen dem Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung der Elternzeit gem. § 16 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 BEEG und der Möglichkeit, für das weitere Kind Elternzeit in Anspruch zu nehmen, bestehen. Der Anspruch auf Elternzeit besteht aber erst ab der Geburt bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes (§ 15 Abs. 2 S. 1 BEEG). Bei mehreren Kindern besteht der Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind, auch wenn sich die Zeiträume der Elternzeit überschneiden (§ 15 Abs. 2 S. 4 BEEG). Soweit sich die Zeiträume der einzelnen Elternzeiten überschneiden, führt dies nicht zu einer Verlängerung der gesamten Elternzeit.