BAG, Urteil v. 8.5.2018, 9 AZR 8/18
Das Recht auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" setzt tatbestandlich voraus, dass das weitere Kind entbunden ist. Die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 Satz 2 Alternative 1 BEEG kann nicht mit Wirkung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt werden, der noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind liegt.
Sachverhalt
Die Klägerin, als Verwaltungsbeschäftigte bei der Beklagten beschäftigt, beanspruchte wegen der Geburt ihres 1. Kindes Elternzeit vom 11.10.2015 bis zum 10.10.2017. Für die Zeit vom 12.10.2016 bis zum 10.10.2017 vereinbarten die Parteien eine Teilzeittätigkeit der Klägerin während der Elternzeit in einem Umfang von 24 Wochenstunden. Während der Elternzeit wurde die Klägerin erneut schwanger. Deshalb beantragte sie mit Schreiben vom 5.10.2016 die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 12.10.2016. Dies Beklagte lehnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit mit Schreiben vom 4.11.2016 aus betrieblichen Gründen ab.
Mit Schreiben vom 14.11.2016 berief sich die Klägerin auf einen Anspruch auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit aufgrund ihrer Schwangerschaft und bot gleichzeitig ihre Arbeitskraft für eine Vollzeitbeschäftigung an, für die sie die entsprechende Vergütung verlangte. Unter dem 10.2.2017 zeigte sie der Beklagten die vorzeitige Beendigung der Elternzeit zum 31.3.2017 mit der Begründung an, sie befinde sich ab dem 1.4.2017 in Mutterschutz. Die Parteien stritten nun über etwaige Vergütungsansprüche der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs sowie darüber, ob ihre Elternzeit "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" mangels rechtzeitiger schriftlicher Ablehnung durch die Arbeitgeberin vorzeitig beendet worden war.
Die Entscheidung
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das BAG entschied, dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, die Klägerin vom 12.10.2016 bis zum 31.3.2017 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden zu beschäftigen. Zudem steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug nach § 615 Satz 1 i. V. m. § 611 Abs. 1 BGB zu.
Das Gericht führte hierzu aus, dass die Eltern(teil)zeit der Klägerin wegen ihres 1. Kindes nicht vor dem 1.4.2017 geendet habe.
Zunächst endete die Elternzeit der Klägerin mangels Zustimmung des Arbeitgebers nicht nach § 16 Abs. 3 Satz 1 BEEG vorzeitig. Das Gericht führte hierzu aus, dass diese Bestimmung den Fall regele, dass keine besonders schwerwiegenden Gründe vorliegen. In diesen Fällen sei eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit nur möglich, wenn der Arbeitgeber einem darauf gerichteten Antrag zustimme. Hierauf bestehe jedoch grundsätzlich kein Rechtsanspruch, da die berechtigten Interessen des Arbeitgebers, insbesondere seine für die Elternzeit getroffenen Dispositionen, einer vorzeitigen Beendigung der Elternzeit ohne seine Zustimmung grundsätzlich entgegenstünden.
Die Klägerin konnte die vorzeitige Beendigung der Elternzeit auch nicht durch die Ausübung des einseitigen Gestaltungsrechts nach § 16 Abs. 3 Satz 2 BEEG bewirken; denn das Recht auf eine vorzeitige Beendigung der Elternzeit "wegen der Geburt eines weiteren Kindes" setze, so das BAG, tatbestandlich voraus, dass das weitere Kind entbunden ist. Die Rechtsfolge des § 16 Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 BEEG könne dagegen nicht mit Wirkung zu einem Zeitpunkt herbeigeführt werden, der noch in der Schwangerschaft mit dem weiteren Kind liegt. Dies ergebe insbesondere die Auslegung der Norm des § 16 BEEG nach Wortlaut und Systematik.