Zusammenfassung
Hinweis:
Der dreiteilige Beitrag gibt einen umfassenden Überblick über die verschiedenen Anspruchskonstellationen, die üblicherweise unter dem Begriff „Staatshaftungsrecht” zusammengefasst werden. Nach einem historischen Überblick werden in der Beitragsreihe Schadensersatzansprüche (Teil 1), Entschädigungsansprüche (Teil 2) sowie Erstattungs-, Folgenbeseitigungs-, Abwehr- und Unterlassungsansprüche (Teil 3) detailliert dargestellt.
I. Einleitung
1. Überblick
Unter dem Begriff „Staatshaftungsrecht” werden im Allgemeinen verschiedene Ansprüche zusammengefasst, die auf Schadensersatz, Ausgleich, Wiederherstellung oder Erstattung gerichtet sind. Weder über die konkrete Begrifflichkeit dieses Sachgebiets noch über die systematischen Konturen in Abgrenzung zu anderen Sachgebieten besteht Einigkeit. Im Allgemeinen werden unter der Überschrift „Staatshaftungsrecht” verschiedenartige Ansprüche zusammengefasst. Dabei lassen sich Ansprüche auf Geldersatz, die auf einen finanziellen Ausgleich auf Sekundärebene ausgerichtet sind, von Ansprüchen unterscheiden, mit denen Verwaltungshandeln beseitigt, unterlassen oder rückgängig gemacht werden soll. Innerhalb der Geldersatzansprüche finden sich wiederum Schadensersatzansprüche neben Sonderopferausgleichsansprüchen, Hinzutreten des Weiteren noch Aufwendungsersatzansprüche und Erstattungsansprüche.
2. Historische Entwicklung
Das Staatshaftungsrecht hat sich historisch und sachlich aus verschiedenen Wurzeln entwickelt. Ein Rückgriff auf gewohnheitsrechtliche und richterrechtliche (Fort-)Entwicklungen ist für dieses Rechtsgebiet typisch. Bis heute muss auf eine harmonisierende Kodifikation gewartet werden. Das 1981 beschlossene Staatshaftungsgesetz hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Urt. v. 19.10.1982 – 2 BvF 1/81, BVerfGE 61, 149-208) für nichtig erklärt, da dem Bund zum damaligen Zeitpunkt die Gesetzgebungskompetenz fehlte. Obwohl dem Bund mit der 1994 erfolgten Verfassungsänderung die konkurrierende Gesetzgebung für die „Staatshaftung” in Art. 74 Abs. 1 Nr. 25 GG zugewiesen wurde, ist bis heute keine einheitliche Kodifizierung geschaffen worden, obgleich die Koalitionsverträge sowohl der 17. Wahlperiode (2009) als auch der 18. Wahlperiode (2013) ein solches Ziel festhielten.
II. Ansprüche auf Geldersatz
1. Amtshaftung
Die Amtshaftung für rechtswidriges schuldhaftes Verhalten eines Beamten wurde historisch betrachtet zunächst in § 839 BGB und damit im bürgerlichen Deliktsrecht verankert. Die Weimarer Reichsverfassung (Art. 131 WRV) begründete reichsweit die Haftungsübernahme des Staates. An diese Rechtstradition knüpft Art. 34 GG an. Unter Amtshaftung ist systematisch eine derivative Staatshaftung zu verstehen. Das bedeutet, dass die Haftung im Ausgangspunkt den Beamten selbst trifft (§ 839 BGB), diese dann allerdings vom Staat übernommen wird (Art. 34 S. 1 GG).
a) Voraussetzungen
Der Amtshaftungsanspruch ergibt sich aus der einheitlichen Anspruchsgrundlage § 839 BGB, Art. 34 S. 1 GG.
Zitat
§ 839 Abs. 1 S. 1 BGB: Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.
Art. 34 S. 1 GG: Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grds. den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht.
Auch wenn das Verhältnis beider Normen zueinander bis heute nicht einvernehmlich beantwortet wird, steht außer Frage, dass sie nicht deckungsgleich sind. So ist die staatliche Haftungsübernahme aus Art. 34 S. 1 GG auf den hoheitlichen Bereich beschränkt. Daraus folgt, dass die alleinige Haftung des Beamten aus § 839 Abs. 1 S. 1 BGB (noch) in den Fällen greift, in denen dieser privatrechtlich für den Hoheitsträger handelt. Zudem gilt § 839 BGB nur für den Beamten im engeren Sinne; wohingegen sich Art. 34 S. 1 GG auf jeden Amtswalter erstreckt.
aa) „jemand”
Um einen Amtshaftungsanspruch auszulösen, muss zunächst jemand in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig geworden sein. Artikel 34 S. 1 GG erweitert mit der Formulierung „jemand” den Täterkreis im Vergleich zu § 839 BGB, weshalb häufig vom haftungsrechtlichen Beamtenbegriff gesprochen wird. Neben den statusrechtlichen Beamten sind nicht nur Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst „jemand”, sondern auch Minister, Parlamentsabgeordnete und Mitglieder von Gemeinderäten. Zudem können Privatpersonen in den Anwendungsbereich fallen, wenn sie als Beliehene oder Verwaltungshelfer mit der Wahrnehmung bestimmter hoheitlicher Aufgaben betraut sind.
Beispiel:
Beauftragt die Straßenverkehrsbehörde zur Vollstreckung des in einem Verkehrszeichen enthaltenen Wegfahrgebots im Wege der Ersatzvornahme einen privaten Unternehmer mit dem Abschleppen eines verbotswidrig geparkten ...