Im Dezember 1922 wurde die erste Rechtsanwältin in Deutschland zugelassen – Maria Otto. Ihrer Zulassung war ein langer und hartnäckiger Kampf vorausgegangen.
Geboren am 6.8.1892 in Weiden in der Oberpfalz, bestand sie im Frühjahr 1912 ihr Abitur. Ab dem Wintersemester 1912/1913 studierte sie Jura in Würzburg, München, Berlin und Leipzig. 1916 legte sie schließlich in Würzburg das erste Staatsexamen ab. Damit war für sie der Weg als Juristin rechtlich beendet, denn zu dieser Zeit war es Frauen verwehrt die zweite juristische Staatsprüfung abzulegen. Eine Tätigkeit als Rechtsanwältin, wie von ihr angestrebt, war somit nicht möglich.
Maria Otto ließ sich davon jedoch nicht beirren und beantragte trotzdem die Zulassung zum Vorbereitungsdienst, zumindest aber die Erlaubnis, diesen „informatorisch” ableisten zu dürfen. Der Vorbereitungsdienst wurde ihr verwehrt, die „informatorische Beschäftigung” hingegen erlaubt. Am 1.10.1916 begann Maria Otto ihre „informatorische Beschäftigung” und arbeitete in den verschiedenen Stationen in München und Würzburg, u.a. am Amts- und Landgericht München sowie bei Rechtsanwalt Mauermeyer. Damit war sie ihrem Berufsziel Rechtsanwältin zu werden, immerhin einen Schritt nähergekommen.
Allerdings musste sie feststellen, dass auch nach zwei Jahren, in denen sie ihre informatorische Beschäftigung abgeleistet hatte, Frauen noch immer nicht zum zweiten Staatsexamen zugelassen waren. Trotzdem stellte Maria Otto am 27.12.1918 einen Antrag an das bayerische Staatsministerium, um dennoch zugelassen zu werden. In diesem Antrag berief sie sich auf die inzwischen vorangeschrittene Gleichberechtigung von Mann und Frau. Ihr Antrag wurde jedoch nicht beantwortet und sie führte ihre informatorische Beschäftigung weiter fort. Als am 14.8.1919 die Weimarer Reichsverfassung in Kraft getreten war und im Deutschen Reich die formelle Gleichberechtigung von Frau und Mann einführte, nahm Maria Otto dies zum Anlass, mit Verweis darauf einen erneuten Antrag auf Zulassung zu stellen. Doch auch dieser Antrag sowie mehrere weiter folgende wurden abgelehnt. Die Beharrungskräfte der ausschließlich mit Männern besetzten Justizministerien des Reiches und der Länder sowie auch der Rechtsanwaltskammern gegen die Zulassung von Frauen waren weiterhin zu groß.
Ihre ständig wiederholten Anträge zeigten letztlich doch Wirkung: Vor dem Hintergrund der Veränderungen der Zeit im Hinblick auf die Gleichstellung wurde es – wie auch der bayerische Justizminister anerkennen musste – immer schwieriger, „das Gesuch des Fräulein Otto abzuweisen”. Am 6.2.1922 wurde Maria Otto, sechs Jahre nachdem sie das erste Examen abgelegt hatte, ausnahmsweise zum zweiten Staatsexamen zugelassen; unter dem Vorbehalt, dass sie mit Bestehen der Prüfung weder das Richteramt noch ein höheres Amt der inneren Verwaltung oder des Finanzdienstes ausüben dürfe. Im Juni 1922 bestand Maria Otto als erste Frau in Deutschland das zweite Staatsexamen.
Da kurz nach Bestehen ihres zweiten Staatsexamens – am 11.7.1922 – das Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege verabschiedet wurde, wurde entschieden, dass Maria Otto ihr Zeugnis uneingeschränkt bekommen sollte und ihr der Assessortitel zustand: Es würde sich wohl nicht umgehen lassen, „dem Fräulein Otto nach bestandener Prüfung das Prüfungszeugnis ohne jeden Vorbehalt auszustellen”. Im Dezember 1922 wurde Maria Otto schließlich als erste Frau Deutschlands in die Rechtsanwaltsliste eingetragen und zu den Landgerichten München I und II sowie zum OLG München zugelassen.
Am 7.12.2022 gedachte die ARGE Anwältinnen im DAV mit einem Empfang in München dieser ersten Anwältin und ganz besonderen Frau, die gezeigt hat, dass durch Hartnäckigkeit und Mut Veränderungen möglich sind. Und die natürlich den Frauen den Weg in die Anwaltschaft geebnet hat. Seitdem ist diese stetig weiblicher geworden und liegt bei derzeit rund 35 % – obwohl mehr Frauen als Männer Jura studieren. Der weibliche Zulauf zur Anwaltschaft ist zwar groß – zuletzt lag die Quote der neu zugelassenen Anwältinnen bei knapp über 50 % –, viele Frauen verlassen den Anwaltsberuf jedoch wieder, wenn Sie merken, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie dort immer noch sehr schwierig oder aufgrund tradierter Auffassungen schlichtweg nicht gegeben ist. Einige bleiben der Anwaltschaft zwar erhalten, kündigen aber ihre angestellte Anwältinnentätigkeit und wählen den Weg der Selbstständigkeit, wie eine von der ARGE Anwältinnen im Juni 2022 durchgeführte Umfrage zu der Vereinbarkeit von Familie und Anwaltstätigkeit gezeigt hat. Dies eröffnet ihnen die Möglichkeit, selbstbestimmt zu arbeiten und sich nicht ständig vor Kolleg:innen oder Vorgesetzten rechtfertigen zu müssen. Damit zeigen diese Anwältinnen sehr viel Mut – ist doch diese Entscheidung mit einem Verlust an eigener finanzieller Sicherheit oder ggf. auch mit dem Verzicht auf die vormals angestrebte Position (z.B. als Partnerin) verbunden.
So sollte es nicht sein. Hier sollte...