Eine personelle Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen liegt vor, wenn hinter beiden rechtlich selbstständigen Unternehmen eine Person oder Personengruppe steht, die in Bezug auf beide Unternehmen einen „einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen” hat und in der Lage ist, diesen in beiden Unternehmen durchzusetzen (grundlegend BFH, Urt. v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BStBl II 1972, 63). Liegt ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille vor, spricht man von sog. Beherrschungsidentität.
Dabei ist nicht allein auf die Möglichkeit der Beherrschung durch Ausübung der Stimmrechte in den Gesellschafterversammlungen der beiden Unternehmen abzustellen, sondern es sind insb. die Vereinbarungen zur Geschäftsführung zu prüfen. Es kommt vielmehr auf die Frage der Beherrschung der Geschäfte des täglichen Lebens einschließlich der Durchführung der zwischen den beiden Unternehmen geschlossenen Verträge an, wozu es aufgrund entsprechender Geschäftsführungsbefugnisse kommen kann (BFH, Urt. v. 24.8.2006 – IX R 52/04, BStBl II 2007, 165).
Der einfachste Fall ist die Beteiligungsidentität, bei der an Besitz- und Betriebsunternehmen die identischen Personen beteiligt sind (BFH, Urt. v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BStBl II 72, 63; v. 2.4.1997 – X R 21/93, BStBl II 97, 565; v. 14.10.09 – X R 37/07, BFH/NV 10, 406). Identische Beteiligungsverhältnisse sind jedoch nicht erforderlich. Nach der von der BFH-Rechtsprechung entwickelten Personengruppentheorie ist die personelle Verflechtung auch bei einer Personengruppe anzunehmen, die jeweils die Mehrheit der Stimmrechte in Besitz- und Betriebsunternehmen hält, da ein Zusammenschluss derselben Personen in zwei Unternehmen nicht der Ausdruck eines zufälligen Zusammenkommens, sondern ein bewusst geplanter Zusammenschluss zur Verfolgung konkreter wirtschaftlicher Interessen sein muss (BFH, Urt. v. 2.8.1972 – IV 87/65, BStBl II 1972, 796; BFH, Urt. v. 24.2.1994 – IV R 8–9/93, BStBl II 1994, 466; BFH, Urt. v. 24.2.2000 – IV R 62/98, BStBl II 2000, 417; BVerfG, Beschl. v. 25.3.2004 – 2 BvR 944/00, NJW 2004, 2513). Der Personengruppentheorie liegt die Vorstellung zugrunde, dass die Mitglieder der Gruppe einheitlich entscheiden. Es wird von einem vermuteten Interessengleichklang ausgegangen.
Die Personengruppentheorie ist so lange anwendbar, bis tatsächliche Interessengegensätze zwischen den Gesellschaftern (z.B. durch bestehende Rechtsstreitigkeiten) oder anderweitige Stimmbindungen nachgewiesen sind (Schmidt/Wacker EStG § 15 Rn 822 m.w.N.).
Sind an der Besitzunternehmen und Betriebsunternehmen ausschließlich dieselben Personen, aber mit unterschiedlichen Beteiligungsquoten beteiligt, ist der einheitlich geschäftliche Betätigungswille nach dem BFH (Urt. v. 3.11.1972 – I R 117/71, BStBl II 73, 447) nur dann zu verneinen, wenn die Beteiligungsverhältnisse bei beiden Unternehmen extrem unterschiedlich sind (s.a. BFH, Urt. v. 12.10.1988 – X R 5/86, BStBl II 89, 152; IV R 8–9/93; v. 24.02.94, BStBl II 94, 466). Eine Beteiligung an dem Besitzunternehmen mit 50 % zu 50 % und an dem Betriebsunternehmen mit 88 % zu 12 % wird nicht als extrem unterschiedlich angesehen (BFH, Urt. v. 11.12.1974 – I R 260/72, BStBl II 75, 266). Einen extremen Unterschied der Beteiligungsverhältnisse sieht der BFH wohl aber erst bei einer Beteiligung von 95 % zu 5 % und 5 % zu 95 % (BFH, Urt. v. 12.10.1988 – X R 5/86, BStBl II 89, 152).
Nach früherer Rechtsprechung des BFH (zuletzt Urt. v. 30.10.2019 – IV R 59/16, BStBl II 2020, 147) führte die rein mittelbare Beteiligung der Gesellschafter der Betriebsgesellschaft über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzpersonengesellschaft nicht zu einer personellen Verflechtung. Der BFH begründete dies ursprünglich mit dem Durchgriffsverbot, das eine Zurechnung über eine Kapitalgesellschaft verhindere. Mit Urteil vom 16.9.2021 (IV R 7/18, BFHE 274, 218) änderte der BFH die Rechtsprechung und bejahte die personelle Verflechtung auch bei nur mittelbarer Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an einer Besitzpersonengesellschaft. Hierauf reagierte das BMF mit Schreiben vom 21.11.2022 (IV C 6 – S 2240/20/10006 :002) und folgte der BFH-Rechtsprechung. Allerdings wird aus Vertrauensschutzgründen eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an der Besitzpersonengesellschaft bei der Beurteilung der personellen Verflechtung erst ab dem Veranlagungszeitraum 2024 berücksichtigt.
Hinweis:
Aufgrund der Rechtsprechungsänderung begründen bei der Beteiligung an der Besitz-Personengesellschaft zwischengeschaltete Kapitalgesellschaften für Zwecke der Betriebsaufspaltung keine Abschirmwirkung mehr. Bestehende Strukturen sollten daher bis Ende 2023 geprüft und ggf. angepasst werden.
Durch die Aufnahme von Nur-Besitzgesellschaftern entsteht das Gestaltungspotenzial, die Betriebsaufspaltung zu verhindern. Gilt für das Besitzunternehmen aufgrund gesetzlicher (Bruchteilsgemeinschaft, GbR) oder vertraglicher Regelungen (OHG, KG) das Einstimmigkeitsprinzip, so kann ein Gesellschaf...