Die Parteien streiten über einen Zeugnisanspruch nach § 109 GewO.
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin erteilte die Beklagte ein Arbeitszeugnis mit Datum v. 28.2.2021. Dessen letzter Absatz lautete u.a.:
Zitat
„Wir danken ihr für ihre wertvolle Mitarbeit und bedauern es, sie als Mitarbeiterin zu verlieren. Für ihren weiteren Berufs- und Lebensweg wünschen wir ihr alles Gute und auch weiterhin viel Erfolg.”
Am 8.4.2021 forderte die Klägerin die Beklagte auf, dass Arbeitszeugnis zu korrigieren und dabei ihr Arbeit- und Sozialverhalten besser zu bewerten. Das daraufhin geänderte zweite Arbeitszeugnis erhält insoweit folgenden Satz: „Insgesamt waren ihre Arbeitsergebnisse von guter Qualität (...)”
Die oben wiedergegebene Schlussformel blieb unverändert. Die Passage zur Arbeitsleistung beanstandete die Klägerin dann mit der Begründung, die positive Aussage werde durch die Verwendung des Wortes „insgesamt” unzulässig eingeschränkt. Die Beklagte änderte das Arbeitszeugnis erneut wie folgt „Frau D hat ihre Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt und unseren Erwartungen in jeder Hinsicht optimal entsprochen (...).” Die o.g. Dankes- und Wunschformel ist im Zeugnis nicht mehr enthalten.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, ihr ein Arbeitszeugnis auszustellen, das die in den ersten beiden Zeugnisfassungen erteilte Dankes- und Wunschformel enthält. Mit ihrer Weigerung, das dritte Arbeitszeugnis entsprechend zu korrigieren, verstoße die Beklagte gegen das arbeitsrechtliche Maßregelungsverbot. Die Klägerin erhob Klage und beantragte von der Beklagten die Erteilung eines von ihr formulierten ausführlichen Arbeitszeugnisses – einen auf bloße Berichtigung gerichteten Anspruch kennt das Gesetz nicht (BAG, Urt. v. 10.5.2005 – 9 AZR 261/04, NZA 2005, 1237 Rn 14) –, das eine Dankes- und Wunschformel enthielt, wie sie in den ersten beiden Zeugnissen enthalten war. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos (BAG, Urt. v. 6.6.2023 – 9 AZR 272/22, ZAT 2023, 174 m. Anm. Gundel, ferner zu der Entscheidung Düwell, jurisPR – ArbR 43/2023 Anm. 5).
Das BAG sah die Klage als begründet an und hat die Revision der in der Revisionsverhandlung säumige Beklagten durch Versäumnisurteil zurückgewiesen. Eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) kam nicht in Betracht, da in der Revisionsinstanz bisher keine zweiseitige Verhandlung stattgefunden hatte (s. § 331a S. 2, § 251a Abs. 2 S. 1 ZPO).
Allerdings beruht das Versäumnisurteil nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf einer sachlichen Prüfung der Klage. Das Urteil wäre inhaltlich ebenso ergangen, wenn die Beklagte nicht säumig gewesen wäre, sondern eine zweiseitige streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Begrifflich setzt ein Versäumnisurteil zwar voraus, dass es gegen die säumige Partei ergeht, aber nicht auch, dass es inhaltlich auf einer Säumnisfolge beruht. Das Gericht verweist insoweit auf eine frühere Entscheidung des 6. Senats des BAG v. 8.5.2014 (6 AZR 465/12, NZA 2014, 574 = NJW 2014, 3262 Rn 15). Dort nimmt das BAG Bezug auf die ständige Rechtsprechung des BGH (so bereits Urt. v. 4.4.1962 – V ZR 110/60, NJW 1962, 557 Rn 12).
Grundsätzlich haben Arbeitnehmer aus der Vorschrift des § 109 Abs. 1 S. 3 GewO, die Arbeitgeber zu einer Beurteilung der Leistung und des Verhaltens verpflichtet, keinen Anspruch auf eine Dankes- und Wunschformel. Der Senat verweist insoweit auf sein Urt. v. 25.1.2022 – 9 AZR 146/21, NZA 2022, 783, Rn 21 ff. und hält an dieser Rechtsprechung fest.
Vorliegend verhielt es sich allerdings so, dass die Arbeitgeberin sich erst im dritten Arbeitszeugnis geweigert hatte, die begehrte Schlussformel anzubringen, anders als im ersten und zweiten Zeugnis. Dies beanstandet das BAG wegen Verstoßes gegen das Verbot der Maßregelung (§ 612a BGB), wonach Arbeitgeber Arbeitnehmer bei einer Maßnahme nicht benachteiligen dürfen, weil diese in zulässiger Weise ihre Rechte ausüben. Das Verbot schützt die Willensfreiheit der Arbeitnehmer, die ohne Angst vor einer Maßregelung durch den Arbeitgeber darüber entscheiden dürfen sollen, ob sie die zustehenden Rechte in Anspruch nehmen oder davon absehen. Hat der Arbeitgeber das Maßregelungsverbot verletzt, kann der Arbeitnehmer Beseitigung der Benachteiligung verlangen. Dabei hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer so zu stellen, wie er ohne die Maßregelung stände.
Hinweis:
Das Maßregelungsverbot kann in verschiedenen Fallgestaltungen zur Anwendung kommen, etwa bei Arbeitgeberkündigungen, bei der Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 GewO, bei Arbeitskämpfen und bei Vergütungsabreden (s. näher Linck, Arbeitsrechtshandbuch, § 108 Rn 8 ff. m.w.N.). Auch die Ablehnung eines Anspruchs auf Zeugniserteilung kann grundsätzlich an § 612a BGB zu messen sein (s. BAG, Urt. v. 10.5. 2005 – 9 AZR 261/04, NZA 2005, 1237 Rn 29).
Das Gericht legt im Einzelnen dar, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 612a BGB im Streit...