Führt eine Urlaubsgewährung zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 5 TzBfG? Hierüber stritten die Parteien vor dem Siebten Senat des BAG (BAG, Urt. v. 9.2.2023 – 7 AZR 266/22, NZA 2023, 770) anlässlich eines Befristungsrechtsstreits.
Der Kläger, ein Beamter der Deutschen Bundespost, dessen Beamtenverhältnis seit der Privatisierung (1.7.1999) ruht, ist seitdem aufgrund einer Reihe befristeter Arbeitsverträge mit unterschiedlichen Aufgaben in einem Arbeitsvertrag bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt schlossen die Parteien am 17.4.2019 einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1.8.2019 bis zum 30.4.2020 unter gleichzeitiger weiterer Beurlaubung. Der Vertrag wurde zweimal – unter jeweiliger Verlängerung der Beurlaubung im Beamtenverhältnis – zuletzt bis zum 30.9.2020 verlängert. Dem Kläger war i.R.d. Arbeitsverhältnisses ein Dienstwagen zur privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Mit E-Mail v. 30.9.2020 teilte Herr S, Mitarbeiter der Beklagten im Bereich Personal/Service, dem Kläger unter dem Betreff „WG: Mobiles Arbeiten; Versteuerung geldwerter Vorteil Firmenwagen” auszugsweise Folgendes mit:
Zitat
„(...) heute endet Ihre Abordnung vom GB V zur SNL P. Ich hatte die Versteuerung des geldwerten Vorteils Firmenwagen für die Strecke Wohnung – erste Arbeitsstätte für den Zeitraum 01.06.20 – 30.09.20 einstellen lassen, da Sie ... im Homeoffice gearbeitet haben. Ab dem 01.10.20 würden wieder 6 km zur Versteuerung gelten. Wenn dies nicht korrekt ist, dann nehmen Sie bitte Kontakt mit Ihrer Stamm-Personalabteilung im GB Vertrieb auf.”
Am 9.9.2020 wurde dem Kläger über das Personalportal „myTime” Erholungsurlaub für die Zeit vom 1.–3.10.2020, vom 5.–9.10.2020, vom 12.–16.10.2020, vom 19.–23.10.2020 sowie vom 26.–31.10.2020 gewährt.
Unter dem Datum 30.9.2020 erhielt der Kläger von der Abteilungsleiterin Personal, Frau L, auf seinen Wunsch ein Zwischenzeugnis für seine Tätigkeit vom 1.8.2019 bis zum 30.9.2020. In einem Telefonat am 1.10.2020 besprach die zu diesem Zeitpunkt mit der Leitung der Personalabteilung betraute Frau St mit dem Kläger, dass er in der Zeit vom 1. bis zum 31.10.2020 seinen Erholungsurlaub abwickele, während die Personalabteilung und der Kläger selbst sich um den weiteren Einsatz ab November 2020 bemühen würden. Seit dem 1.10.2020 wird der Kläger von der Beklagten wieder als Bundesbeamter geführt. Organisatorisch ist das Beamtenverhältnis dem Geschäftsbereich Vertrieb P zugeordnet, dessen Personal bundesweit an mehreren Standorten tätig ist.
Die Klage war in allen drei Instanzen ohne Erfolg. Wird einem Arbeitnehmer für die Zeit nach Ablauf seines befristeten Arbeitsverhältnisses Urlaub gewährt, ist der Tatbestand des § 15 Abs. 5 TzBfG in der bis zum 31.7.2022 geltenden Fassung (seit dem 1.8.2022 § 15 Abs. 6 TzBfG) nicht erfüllt. Das BAG gibt die Grundsätze der st. Rspr. zu § 15 Abs. 5 TzBfG wieder. „Fortsetzung mit Wissen des AG” ist nach der Normsystematik, dem im Wortlaut widergegebenen gesetzgeberischen Regelungswillen und dem Sinn und Zweck eine Handlung des Arbeitnehmers und nicht eine einseitige Handlung des Arbeitgebers. Von den eigenen Handlungen hat der Arbeitgeber stets Kenntnis. Konkret scheitert der Kläger daran, dass § 15 Abs. 5 TzBfG und § 625 BGB übereinstimmend auszulegen sind, weshalb Urlaub für die Fortsetzung nicht genügt. Weiter hatte die beklagte Arbeitgeberin die von ihr im Zusammenhang mit der Urlaubsgewährung allein geschuldete Festlegung des Urlaubszeitraums (Leistungshandlung) auf Wunsch des Klägers noch vor dem Befristungsablauf vorgenommen. Während des Urlaubs wird keine Vertragspflicht – mit Ausnahme des § 8 BUrlG – geschuldet. Zwischenzeugnis- und Dienstwagenfragen wurden durch Personen erledigt, denen keine Vertragsgestaltungsbefugnis zukommt, die allein für § 625 BGB und § 15 Abs. 6 TzBfG maßgebend ist.
Hinweise:
- § 625 BGB: Nach der st. Rspr. des BAG zu § 625 BGB ist der Tatbestand dieser Norm nicht erfüllt, wenn der Arbeitnehmer nach dem Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags Urlaub erhält (vgl. BAG, Urt. v. 20.2.2002 – 7 AZR 748/00, zu B II 5 der Gründe, BAGE 100, 292; BAG, Urt. v. 24.10.2001 – 7 AZR 620/00, B II 1 der Gründe, BAGE 99, 223; BAG, Urt. v. 2.12.1998 – 7 AZR 508/97, zu 2 a der Gründe).
- Abgrenzung § 625 BGB zu § 15 Abs. 5 TzBfG (seit 1.8.2022: identisch § 15 Abs. 6 TzBfG): § 15 Abs. 6 TzBfG ist lex spezialis für befristete oder bedingte Arbeitsverhältnisse (vgl. § 21 TzBfG).
- Obwohl der Wortlaut nicht identisch ist, ist die Normbedeutung identisch. Dies folgt aus der Normsystematik, der Gesetzesgeschichte und dem Normzweck. Die Fiktion eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses nach § 15 Abs. 5 TzBfG a.F. erfordert, dass der Arbeitnehmer die vertragsgemäßen Dienste nach Ablauf der Vertragslaufzeit tatsächlich ausführt.
- Allein die einseitige Erfüllung von Leistungspflichten durch den Arbeitgeber nach Befristungsablauf ohne Entgegennahme der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers löst die Fiktion nicht aus. Insbesondere entsteht nicht dadurch ein u...