Der 9. Senat lässt "alles beim Alten" – eine tarifliche "Zwölftelungsregelung" ist bzgl. des Tarifurlaubs weiterhin wirksam (BAG, Urt. v. 18.2.2014 – 9 AZR 765/12, ArbR 2014, 416 zit. nach juris).
Zitat
Die (Allein-)Erbin der am 7.12.2012 verstorbenen T (Erblasserin) begehrt die Abgeltung von sechs Urlaubstagen des Tarifurlaubs des Jahres 2011 im Wert von 1.633,36 EUR. Die als schwerbehindert anerkannte Erblasserin war vom 1.1.1997 bis zum 31.7.2011 bei der Beklagten als Ärztin in Vollzeit an fünf Tagen in der Woche beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Manteltarifvertrag für die Beschäftigten (Arbeitnehmer/innen und Auszubildende) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) vom 15.10.1991 i.d.F. des 14. Änderungstarifvertrags vom 16.3.2010 (MDK-T). (...)
Die Beklagte gewährte der Erblasserin im Jahr 2011 insgesamt 25 Tage Urlaub. Eine weiter gehende Urlaubsgewährung lehnte sie ab. Die Erblasserin hat gemeint, ihr hätten im Jahr 2011 insgesamt 31 Urlaubstage zugestanden, nämlich 20 Tage gesetzlicher Mindesturlaub, fünf Tage Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 SGB IX und (aufgerundet) weitere sechs Tage gem. § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 2 MDK-T (10 Tage tariflicher Mehrurlaub / 12 Monate x 7 Monate = 5,83 Tage). Die Zwölftelungsregelung des § 29 Abs. 2 S. 1 MDK-T sei ausschließlich auf den tariflichen Mehrurlaub anzuwenden. (...)
Ein Anspruch auf Abgeltung weiteren Urlaubs für das Jahr 2011 gem. § 7 Abs. 4 BUrlG i.V.m. § 1922 Abs. 1 BGB besteht nach Ansicht des BAG nicht. Die Erblasserin erwarb zu Beginn des Jahres 2011 einen Anspruch auf 30 Urlaubstage gem. § 28 Abs. 1 MDK-T sowie auf fünf Tage gesetzlichen Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach § 125 SGB IX. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2011 verringerte sich der Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 gem. § 29 Abs. 2 S. 1 MDK-T auf insgesamt 25 Tage, bestehend aus 20 Tagen gesetzlicher Mindesturlaub und fünf Tagen Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX. Dieser Urlaubsanspruch war im Jahr 2011 gewährt und gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen.
Arbeitnehmern, die wie die Erblasserin im Laufe eines Kalenderjahres ausscheiden, steht nach § 29 Abs. 2 S. 1 MDK-T nur 1/12 des Jahresurlaubs i.H.v. 30 Tagen je vollen Monat der Beschäftigung zu. Dies wären für die am 31.7.2011 ausgeschiedene Erblasserin rechnerisch 17,5 Tage und nach Aufrundung gem. § 29 Abs. 2 S. 3 MDK-T 18 Tage. Allerdings waren der gesetzliche Mindesturlaub i.H.v. 20 Tagen (§§ 1, 3 BUrlG) und der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte (§ 125 SGB IX) zugunsten der Erblasserin bereits zu Beginn des Jahres 2011 entstanden. Aus § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG hat die Rechtsprechung den Umkehrschluss hergeleitet, dass eine Zwölftelung des gesetzlichen Mindesturlaubs nach §§ 1, 3 BUrlG bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses in der zweiten Jahreshälfte nach erfüllter Wartezeit unzulässig sei, weshalb es den Tarifvertragsparteien des MDK-T gem. § 13 Abs. 1 S. 1 BUrlG verwehrt ist, den gesetzlichen Urlaubsanspruch nach dem BUrlG nach erfüllter Wartezeit zu kürzen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des 9. Senats gilt die Auslegungsregel: Für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, der zwischen gesetzlichen und übergesetzlichen tariflichen Ansprüchen unterscheidet, müssen deutliche Anhaltspunkte bestehen. Solche Anhaltspunkte sind im MDK-T nicht ersichtlich. Sämtliche Urlaubsregelungen differenzieren nicht zwischen gesetzlichem Urlaub und tariflichem Mehrurlaub. Im Gegenteil gewähren die §§ 28, 29 MDK-T einen einheitlichen Jahresurlaubsanspruch von 30 Tagen. Deshalb ist die Kürzung zunächst auf den Gesamturlaub anzuwenden. Den tariflichen Mehrurlaub können die Tarifvertragsparteien grundsätzlich frei regeln. Soweit die tarifliche Regelung wegen Eingriffs in den gesetzlich und unionsrechtlich verbürgten Mindesturlaub unwirksam sein kann, wäre die Regelung, wegen des erkennbaren Willens der Tarifparteien, den Gesamturlaub zu kürzen, gem. § 139 BGB insoweit aufrechtzuerhalten, als sie bei einem Ausscheiden in der zweiten Jahreshälfte den gesetzlichen Mindesturlaub nicht kürzen würde. Für die Erblasserin hat sich der Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 nicht auf 18 Tage, sondern auf 20 Tage Urlaub reduziert.
Der der Erblasserin für das Jahr 2011 zustehende gesetzliche Zusatzurlaub für Schwerbehinderte nach § 125 Abs. 1 S. 1 SGB IX bleibt von der Kürzungsregelung des § 29 Abs. 2 MDK-T unberührt. Die Tarifvertragsparteien haben keine Regelung zum Zusatzurlaub für Schwerbehinderte getroffen.