aa) Sicherheitszuschlag
Bei dem Wert von 0,5 ‰ oder mehr Alkohol im Blut handelt es sich um den sog. Gefahrengrenzwert, der bis zu einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,09 ‰ gilt. Ab 1,1 ‰ greift die Strafbarkeit nach § 316 StGB ein (zur Messung des Wertes s. Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3799 ff.; Schuff, in: Burhoff/Grün, Geschwindigkeits- und Abstandsmessung im Straßenverkehr, 4. Aufl. 2016, § 2 Rn 105 ff.). Der Wert von 0,5 ‰ enthält bereits einen Sicherheitszuschlag wegen möglicher Fehlerquellen bei der Bestimmung der BAK (BGHSt 46, 358 = NZV 2001, 267; OLG Zweibrücken DAR 2001, 422; vgl. dazu Stein StV 2001, 356). In diesem Wert ist also der Sicherheitszuschlag von 0,1 ‰, den die Rechtsprechung allgemein bei Blutalkoholbestimmungen für erforderlich hält (vgl. BGHSt 37, 89 = NJW 1990, 2393) enthalten. Weitere (allgemeine) Sicherheitszuschläge sind nicht zulässig (BGHSt 46, 358 = NZV 2001, 267). Ist ein bestimmter über dem Grenzwert liegender Atemalkoholwert festgestellt worden, kann diese Messung nicht durch das günstigere Ergebnis einer nachfolgenden Blutalkoholbestimmung in Frage gestellt werden (OLG Zweibrücken DAR 2002, 279). Aus einem bestimmten Atemalkoholwert kann aber nicht auf die Höhe der BAK geschlossen werden (BGHSt 46, 358; KG VRS 113, 52 = DAR 2008, 273; OLG Zweibrücken a.a.O.) bzw. ein Atemalkoholwert kann nicht in eine BAK umgerechnet werden (KG a.a.O.; vgl. dazu auch Sandherr NZV 2016, 16 ff.).
Es ist ausreichend, wenn der Betroffene eine Alkoholmenge im Körper hat, die im weiteren Verlauf, und zwar auch noch nach der Fahrzeit (OLG Hamm VRS 52, 55; OLG Koblenz VRS 69 231; OLG Köln BA 1975, 401), zu einer den Grenzwert überschreitenden Menge führt.
Hinweis:
In diesem Bereich haben die Fragen der Rückrechnung und des Nachtrunks (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3858, 3864 ff.; Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 7. Aufl. 2015, Rn 1144 ff. [im Folgenden Burhoff, EV]; Burhoff, Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 8. Aufl. 2016, Rn 1177 ff.) in der Praxis erhebliche Bedeutung. Im Urteil müssen bei einem behaupteten Nachtrunk bei der Berechnung der Blutalkoholkonzentration Feststellungen zur Alkoholmenge und des Körpergewichts zum Tatzeitpunkt und zur Bestimmung des Resorptionsfaktors getroffen werden (OLG Köln DAR 2001, 230). Nach der Rechtsprechung (BayObLG DAR 2002, 80) setzt jede Rückrechnung von der BAK zur Zeit der Blutentnahme auf den Wert der Tatzeit zudem voraus, dass das Ende der Resorptionszeit feststeht (vgl. dazu u.a. auch BGH DAR 2007, 272; 2010, 588). Können nähere Feststellungen bezüglich des Trinkverlaufs nicht getroffen werden und steht dadurch das Resorptionszeitende nicht genau fest, ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass die Resorption nicht früher als 120 Minuten nach Trinkende abgeschlossen war.
bb) Verwertbarkeit einer Blutprobe
Soll der Verurteilung des Mandanten eine Blutprobe zugrunde gelegt werden bzw. ist diese dem amtsgerichtlichen Urteil zugrunde gelegt worden, muss der Verteidiger sich ggf. u.a. mit folgenden Fragen auseinandersetzen (vgl. auch Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3889 ff. m.w.N.):
- Für die bei der Blutentnahme einzuhaltenden Regeln haben die Bundesländer einheitliche "Richtlinien über die Feststellung von Alkohol im Blut bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten" erlassen (vgl. den Abdruck bei Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a.a.O., § 316 StGB Rn 40). Diese sind zu beachten.
- Eine besondere Problematik kann bei Blutproben/Blutentnahmen dann entstehen, wenn die Anordnung der Blutentnahme zwangsweise durchgesetzt worden ist. Das ist zwar grundsätzlich zulässig (wegen der Einzelheiten zur Durchsetzung s. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 81a Rn 28 f. m.w.N.; OLG Dresden NJW 2001, 3643), der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz muss aber beachtet worden sein (vgl. dazu OLG Dresden a.a.O.; s. auch Burhoff, EV, Rn 1163 ff. m.w.N.).
- Für die Anordnung der Entnahme der Blutprobe gilt § 81a StPO. Es stellt sich also insbesondere die Frage, ob der Richtervorbehalt beachtet worden ist (die damit zusammenhängenden Fragen sind eingehend dargestellt von Hillenbrand ZAP F. 9, S. 936 f., Ludovisy/Eggert/Burhoff/Burhoff, § 4 Rn 827 ff., bei Burhoff/Burhoff, OWi, Rn 3893 ff. und bei Burhoff, EV, Rn 1170 ff. jeweils mit m.w.N. aus der Rechtsprechung).
Hinweis:
Inzwischen ist allerdings geplant, den Richtervorbehalt auch bei § 24a StVG entfallen zu lassen (vgl. BR-Drucks 792/16 zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und weiterer Gesetzes; vgl. auch noch Entwurf eines (...) Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung – Neuordnung der Anordnungskompetenz für die Entnahme von Blutprobe (BR-Drucks 615/10) und dazu Elsner DAR 2010, 633). Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich der Gesetzgeber noch in der laufenden oder in der 18. Legislaturperiode entscheiden wird.