Kommt der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug (§§ 293 ff. BGB), so haben Arbeitnehmer Anspruch auf die vereinbarte Vergütung, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein, § 615 Abs. 1 S. 1 BGB. Grundsätzlich ist nach § 615 S. 2 BGB, § 11 Nr. 1 KSchG anzurechnen, was während der Arbeitszeit, zu welcher der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet war (ausgefallene Arbeitszeit), erworben wird. Maßgeblich ist grundsätzlich der gesamte Annahmeverzugszeitraum (Gesamtberechnung). Der Höhe nach ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Im Urteil vom 24.2.2016 (5 AZR 425/15, ZAT 2016, 174) hat das BAG erstmalig zur zeitanteilige Kausalität bei unterschiedlichem Umfang der Arbeitszeit entschieden.
Die Klägerin war seit 1998 zwölf Stunden wöchentlich beschäftigt. Gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Mit Beschluss vom 9.4.2014 stellte das BAG Zustandekommen und Inhalt eines Vergleichs fest, der u.a. regelt:
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1. Es besteht Einigkeit, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 31.12.2013 beendet worden ist. |
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2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt auf der Basis des Monatsgehalts zum Zeitpunkt der Schließung zuzüglich vertraglicher Sonderzahlungen (...) abzurechnen und sich hieraus ergebende Nettoansprüche an die Klägerseite auszuzahlen, soweit Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger, übergegangen sind. |
Seit dem 1.1.2012 ist die Klägerin in einem anderen Arbeitsverhältnis wöchentlich 17 Stunden beschäftigt. Die Beklagte lehnte eine Zahlung unter Hinweis auf die Anrechnung dieser Vergütung ab. Die Klägerin meint, der Vergütungsanteil, den sie wegen der neuen längeren Arbeitszeit bezogen habe, sei nicht anrechnungsfähig und begehrt 6.127,61 EUR brutto zzgl. Zinsen.
Die Klage hatte in allen drei Instanzen Erfolg. Die Klägerin muss sich auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Der Vergütungsanspruch für die Zeit vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2013 folgt aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 615 S. 1 BGB. Die Beklagte war mit Ablauf des 31.12.2011 in Annahmeverzug, der zu dem im Prozessvergleich vereinbarten Beendigungszeitpunkt, dem 31.12.2013, endete. Ob die Parteien im Prozessvergleich die Anrechnung von Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch gem. § 615 S. 2 BGB ausgeschlossen haben, kann dahinstehen, weil der in der Revision allein noch streitige Teil der Forderung keiner Anrechnung unterliegt.
Nach § 615 S. 2 BGB ist auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs u.a. das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient hat. Doch muss sich die Klägerin nach § 615 S. 2 BGB nicht den gesamten von ihr erzielten Zwischenverdienst anrechnen lassen. Anzurechnen ist nur derjenige Zwischenverdienst, den sie während der Arbeitszeit erzielt hat, in der sie im Annahmeverzugszeitraum bei der Beklagten hätte Arbeitsleistungen erbringen müssen. Die Gesamtberechnung darf sich nicht ausschließlich an der Höhe der Vergütung orientieren, sondern muss auch die gegenüber der Beklagten geschuldete Arbeitszeit berücksichtigen. Für die erforderliche Vergleichsberechnung (Gesamtberechnung) ist die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln. Dieser Gesamtvergütung ist gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig erwirbt.
Anzurechnen ist ausschließlich das, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung desjenigen Teils seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Gegenüberzustellen ist damit der Vergütungsanspruch für die Zeit, für welche Arbeitsleistungen zu erbringen waren, und der Verdienst, den der Arbeitnehmer in dieser Zeit anderweitig erworben hat. Also ist Zwischenverdienst auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs in dem Umfang anzurechnen, wie er dem Verhältnis der beim Arbeitgeber ausgefallenen Arbeitszeit zu der im neuen Dienstverhältnis geleisteten entspricht. Es ist anhand der Umstände des Einzelfalls festzustellen, ob der anderweitige Verdienst kausal durch das Freiwerden von der bisherigen Arbeitspflicht ermöglicht wurde. Anrechenbar ist somit nicht der anderweitige Verdienst für 17, sondern lediglich für zwölf Wochenstunden. Es verbleibt ein Anspruch der Klägerin i.H.v. 6.127,61 EUR brutto.
Hinweise:
- Die Entscheidung hat universellen Charakter. Sie gilt sowohl für § 11 KSchG als auch für § 615 S. 2 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG muss sich der Arbeitnehmer nach § 11 Nr. 1 KSchG im Falle des durch gerichtliche Entscheidung festgestellten Fortbestands des Arbeitsverhältnisses auf das Arbeitsentgelt, das ihm der Arbeitgeber für die Zeit...