Änderungen im Überblick:
- Norm: § 100a Abs. 1 StPO
- Sachlicher Geltungsbereich: Telefonüberwachung/Ermittlungsmaßnahmen
- Verteidigerstrategie: Beweisverwertungsverbote
1. Neuregelung
Bisher konnte eine Telefonüberwachung nach § 100a StPO in Diebstahlsfällen nur angeordnet werden, wenn es um einen Bandendiebstahl nach § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB und schweren Bandendiebstahl nach § 244a StGB ging. Dies ist nun in § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j um die Fälle des Wohnungseinbruchdiebstahls nach § 244 Abs. 4 StGB erweitert worden (zur Kritik u.a. die Stellungnahme der BRAK Nr. 30/2019 vom November 2019, S. 13 unter https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/stellungnahmen-pdf/stellungnahmen-deutschland/2019/november/stellungnahme-der-brak-2019-30.pdf ).
Begründet wird diese Verschärfung mit einem Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. u.a. BVerfG NJW 2012, 833, 836; allgemein zur Telefonüberwachung Burhoff, EV, Rn 3919 ff., zu den Voraussetzungen Rn 4045 ff.). Danach verfüge der Gesetzgeber "über einen Beurteilungsspielraum bei der Bestimmung des Unrechtsgehalts eines Delikts und bei der Entscheidung darüber, welche Straftaten er zum Anlass für bestimmte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen machen möchte" (BVerfG, a.a.O.). Der Gesetzgeber habe sich aber in der vergangenen Legislaturperiode 2017 bewusst dazu entschieden, den Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung wegen der mit dem Delikt verbundenen Verletzung der höchstpersönlichen Privatsphäre als ganz besonders gravierend einzustufen und ihn dadurch beispielsweise dem Raub gleichgestellt (vgl. 55. Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs – Wohnungseinbruchdiebstahl v. 17.7.2017 – BGBl I, S. 2442). Der Strafrahmen des Wohnungseinbruchdiebstahls sei aus diesem Grund erheblich angehoben und der Wohnungseinbruchdiebstahl in eine dauerhaft genutzte Privatwohnung zum Verbrechenstatbestand ausgestaltet worden (wegen der Einzelheiten zu § 244 Abs. 4 StGB Fischer, StGB, 66. Aufl. 2019, § 244 Rn 52).
Hinweis:
Der Gesetzgeber sieht das als eine ausreichende Begründung für eine weitere Verschärfung des Rechts der Telefonüberwachung an. Aber: Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) verzeichnet für 2017 einen deutlichen Rückgang der Wohnungseinbrüche. Demnach sank deren Zahl um 23 % auf 116.450 Taten. Die Aufklärungsquote erhöhte sich zugleich leicht von 16,9 auf 17,8 %. 2015 war mit 167.136 registrierten Wohnungseinbrüchen ein Höchststand der vergangenen Jahre erreicht worden. Jahrelang hatte die Zahl der Einbrüche in Deutschland bis dahin zugenommen ( https://www.spiegel.de/panorama/justiz/kriminalstatistik-2018-so-sind-die-sinkenden-einbruchszahlen-zu-erklaeren-a-1206764.html .).
2. Verfahren/Rechtsmittel/Beweisverwertungsverbot
a) Allgemeines
Die Verfahrensvorschriften bzw. die Regelungen zu Rechtsmitteln usw. sind nicht geändert worden. Es kann daher insoweit grds. auf Burhoff, EV, Rn 3927 ff. verwiesen werden.
Entsprechendes gilt für Beweisverwertungsverbote. Insoweit wird verwiesen auf Burhoff, EV, 3978 ff.
b) Schwere der Tat im konkreten Einzelfall
Anknüpfungspunkt für die Anordnung einer Telefonüberwachung ist u.a. der Verdacht auf eine der in § 100a Abs. 2 StPO genannten Katalogtaten. Es muss sich also um eine der dort bezeichneten "schweren Straftaten" handeln. Die Gesetzesbegründung (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 29) weist (zutreffend) darauf hin, dass die abstrakte Schwere der Straftat jedoch nicht alleiniger Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der zu beurteilenden Ermittlungsmaßnahme sein darf. Vielmehr ist die Rechtmäßigkeit jeder Ermittlungsmaßnahme auch an der Beschränkung des § 100a Abs. 1 Ziff. 2 und 3 StPO zu messen, wonach eine Telekommunikationsüberwachung nur in Fällen angeordnet werden darf, in denen bei Verdacht einer Katalogtat die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt und die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsorts des Beschuldigten – ohne die Überwachung der Telekommunikation – wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre (Burhoff, EV, Rn 4054 ff.).
Die somit erforderliche Einzelfallüberprüfung ist Aufgabe des die Telefonüberwachung anordnenden Gerichts. Dies muss insb. auch feststellen, dass die Anlasstat auch im Einzelfall schwer wiegt (Burhoff, EV, Rn 4055). Dazu gibt die Gesetzesbegründung betreffend die Neuregelung in § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. j StPO Folgendes vor (vgl. dazu BT-Drucks 19/14747, S. 28): Insbesondere in Fällen, die im Schuldgehalt hinter dem Durchschnitt gewöhnlicher Fälle des Wohnungseinbruchsdiebstahls in Privatwohnungen i.S.d. § 244 Abs. 4 StGB zurückbleiben, z.B. weil die Privatsphäre der Geschädigten nicht intensiv beeinträchtigt wurde, soll dies regelmäßig nicht der Fall sein (BT-Drucks 19/14747, a.a.O.). Anders soll dies aber nach Auffassung der Gesetzesbegründung insb. dann der Fall sein, wenn weitere bestimmte Indizien darauf hinweisen, dass sich der Beschuldigte nicht nur im Einzelfall, sondern in einer Mehrzahl von Fällen serienmäßig nach § 244 Abs. 4 StGB strafbar gemacht haben könnte. Anknüpfend an die serienmäßige Begehungsweise stehe – so die Gesetzesbegründung ...