Rechtsanwälte sind verpflichtet, ihre Mandanten über die Erfolgsaussichten eines in Aussicht genommenen Rechtsstreits zu belehren. Diesen Pflichtenkreis hat der IX. Senat in einem Urteil aus dem September näher zu definieren vermocht (Urt. v. 16.9.2021 – IX ZR 165/19 m. zust. Anm. Borgmann NJW 2021, 3329; krit. dagegen Weinbeer AnwBl 2021, 684). Danach muss der Mandant in die Lage versetzt werden, Chancen und Risiken des Rechtsstreits selbst abzuwägen. Sofern sich die rechtliche oder tatsächliche Ausgangslage im Laufe eines eingeleiteten Verfahrens verändert, muss der Rechtsanwalt seinen Mandanten über eine damit verbundene Verschlechterung der Erfolgsaussichten aufklären. Für den Inhalt dieser Pflicht ist es nach dem IX. Senat ohne Bedeutung, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält oder nicht. Da der Deckungsanspruch Vermögensbestandteil des Mandanten wird, müsse der Anwalt dafür Sorge tragen, dass er die Entscheidung über seinen Einsatz eigenverantwortlich und sachgerecht treffen kann. Verletzt der Rechtsanwalt die ihm obliegende Beratungspflicht, komme es darauf an, wie sich der Mandant im Falle pflichtgemäßer Unterweisung verhalten hätte. Hier könne von Bedeutung sein, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht und das Risiko des Mandanten, im Falle einer Niederlage die Kosten des Rechtsstreits tragen zu müssen, durch einen bestehenden Deckungsanspruch oder eine bereits vorliegende Deckungszusage herabgemindert war. Ist das Kostenrisiko durch eine (versicherungs-)rechtlich einwandfrei herbeigeführte und daher bestandsfeste Deckungszusage sogar weitestgehend ausgeschlossen, können nach Auffassung des IX. Senats schon ganz geringe Erfolgsaussichten den Mandanten dazu veranlassen, den Rechtsstreit zu führen oder fortzusetzen. Die Wirkungen des versicherungsvertraglichen Kostenschutzes würden jedoch ihre Grenze finden, wenn die (weitere) Rechtsverfolgung des Mandanten objektiv aussichtslos war, etwa aufgrund einer abschließenden höchstrichterlichen Klärung, und sie deshalb nicht in seinem vernünftigen Interesse lag, sondern allein dem (Gebühren-)Interesse des Rechtsanwalts diente. Die Rechtsprechung täte jedoch gut daran, diese Einschränkung äußerst restriktiv zum Einsatz zu bringen. Denn mit ihr werden schlussendlich v.a. den Interessen der Rechtsschutzversicherung – und damit eines mandatsfremden Dritten – Rechnung getragen.