Wie in jedem Jahr hatte sich der BGH auch 2021 mit den Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist zur Begründung eines Rechtsmittels auseinanderzusetzen (vgl. hierzu auch Rohwetter-Kühl NJW 2021, 2005 ff.). Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand u.a. zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Begründungsfrist einzuhalten. Dabei ist das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO). Um ein Verschulden auszuschließen, muss ein Rechtsanwalt dabei seine Angestellten anweisen, fristwahrende Schriftsätze nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls daraufhin zu überprüfen, ob der Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden ist. Dabei darf sich die Kontrolle des Sendeberichts grds. nicht darauf beschränken, die auf diesem ausgedruckte Faxnummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Faxnummer zu vergleichen. Vielmehr muss der Abgleich anhand einer zuverlässigen Quelle vorgenommen werden, aus der die Faxnummer des Gerichts hervorgeht, für das die Sendung bestimmt ist. Denn diese Art der Ausgangskontrolle soll nicht nur Fehler bei der Eingabe, sondern auch bei der Ermittlung der Faxnummer und ihrer Übertragung in den Schriftsatz ausschließen. Hiervon darf der Anwalt nur dann absehen und sich stattdessen auf ein Kanzleisoftware-Programm verlassen, sofern die verwendete Programmversion der neuesten Fassung entspricht. Sofern die Software dann die Faxnummer des erstinstanzlichen Gerichts anstelle von derjenigen des zuständigen Berufungsgerichts einsetzt, ist ein Verschulden, so der VIII. Senat, ausgeschlossen (BGH, Beschl. v. 30.3.2021 – VIII ZB 37/19, ZAP EN-Nr. 327/2021 [Ls.]).
Weiterhin muss der Anwalt, sofern er bei der Erstellung fristwahrender Rechtsmittel oder Rechtsmittelbegründungen sein Büropersonal einschaltet, dessen Arbeit auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen. Insbesondere muss vor der Unterzeichnung der Rechtsmittelbegründungsschrift die richtige Bezeichnung des Rechtsmittelgerichts überprüft werden. Hiervon ist, wie der XII. Zivilsenat hervorgehoben hat (BGH, Beschl. v. 5.5.2021 – XII ZB 552/20), jedoch im Falle einer vor Unterzeichnung erteilten, unmissverständlichen und sofort auszuführenden Einzelweisung eine Ausnahme anzuerkennen. So durfte ein Anwalt, der eine Begründungsschrift vor der von ihm für notwendig befundenen Korrektur der Falschbezeichnung des Rechtsmittelgerichts unterzeichnet hatte, weil er seine Angestellte zur Korrektur angewiesen hatte, sich darauf verlassen, dass diese Weisung nicht sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird. Die unterbliebene nachträgliche Kontrolle der Weisungsausführung war daher nicht geeignet, ein Verschulden zu begründen.
Ebenfalls mit der Frage eines die Wiedereinsetzung ausschließenden Verschuldens hatte sich der III. Senat zu befassen (Beschl. v. 27.5.2021 – III ZB 64/20, ZAP EN-Nr. 493/2021 [Ls.]; Anwaltsmagazin ZAP 2021, S. 735 f.). Demnach müsse ein Anwalt, der erkennt, die Begründungsfrist schuldlos (im Streitfall: unvorhersehbarer Druckerfehler) nicht einhalten zu können, zwar durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht notwendig wird, aber nur dann, wenn die Fristverlängerung überhaupt rechtlich zulässig ist und auf ihre Bewilligung vertraut werden kann. Wurde die Frist bereits einmal um bis zu einen Monat verlängert, sodass gem. § 520 Abs. 2 S. 2 ZPO eine weitere Verlängerung der Einwilligung des Gegners bedarf, so ist ein unterbliebener Fristverlängerungsantrag entbehrlich, wenn die Einwilligung aufgrund der Kürze der bis zum Fristablauf verbleibenden Zeit (23:00 Uhr am letzten Tag der Frist) realistischerweise nicht mehr zu erlangen gewesen wäre.
Auch zu den verbleibenden Anforderungen an das Fristenwesen, sofern ein Fristverlängerungsantrag gestellt wurde, nahm der BGH im Jahr 2021 Stellung (BGH, Beschl. v. 22.6.2021 – VIII ZB 56/20, ZAP EN-Nr. 522/2021 [Ls.]). Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist setzt bei einem abgelehnten Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist und anschließender Verwerfung der Berufung als unzulässig voraus, dass dieser Antrag rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangen ist. Als zusätzliche Fristensicherung muss hier auch das hypothetische Ende der beantragten Fristverlängerung bei oder alsbald nach Einreichung des Verlängerungsantrags im Fristenbuch eingetragen, als vorläufig gekennzeichnet und rechtzeitig, spätestens nach Eingang der gerichtlichen Mitteilung überprüft werden, damit das wirkliche Ende der Frist festgestellt werden kann. Allerdings muss sich der Anwalt, wie der VIII. Senat hervorhob, sofern er mit der erstmaligen Verlängerung der Begründungsfrist bei Vorliegen erheblicher Gründe (§ 520 Abs. 2 S. 3 ZPO) mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen durfte, vor Ablauf der ursprünglichen Begründungs...