Für den Bereich der Anwaltshaftung ist beim BGH der IX. Zivilsenat zuständig. Daneben haben im abgelaufenen Jahr aber auch eine Reihe anderer Senate einschlägige Entscheidungen veröffentlicht (speziell zur Entwicklung des Anwaltshaftungsrechts von Mitte 2020 bis Mitte 2021 Jungk NJW 2021, 3630 ff.).
1. Pflicht zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten
Ab dem 1.1.2022 muss bundesweit jegliche Korrespondenz von Anwälten mit Gerichten elektronisch über einen sicheren Übermittlungsweg (vgl. § 130d ZPO; § 32d StPO; § 55d VwGO; § 65d SGG; § 52d FGO; § 46g ArbGG; dazu Cosack ZAP 2022, 37 ff.; Müller NJW 2021, 3281 ff.; Siegmund NJW 2021, 3617 ff.) erfolgen. In der Regel wird die Kommunikation über das beA geführt werden (zur Sicherheit der Kommunikation über das beA: BGH, Urt. v. 22.3.2021 – AnwZ [Brfg] 2/20, ZAP EN-Nr. 341/2021 [Ls.] m. Anm. Degen/Emmert NJW 2021, 2218). Künftig stellt sich daher nicht mehr die Frage, ob ein Anwalt, der sich für den Versand eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax entschieden hat, bei technischen Problemen kurz vor Fristablauf einen Übermittlungsversuch über das beA unternehmen muss. Der BGH hatte diese Frage im Jahr 2021 noch zurückhaltend beurteilt. Seiner Ansicht nach stellte dieser Übermittlungsweg jedenfalls für einen Rechtsanwalt, der das beA bisher nicht aktiv genutzt und hierüber keine Dokumente versandt hat, keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar, wenn am Tag des Fristablaufs die von ihm gewählte Übermittlung per Telefax aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen scheitert. Vor dem 1.1.2022 habe für die Rechtsanwaltschaft keine allgemeine Pflicht bestanden, sich mit den Anforderungen und der Funktionsweise der Erstellung und des Versands elektronischer Dokumente auseinanderzusetzen (BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZB 12/21; vgl. zuvor auch BGH, Beschl. v. 17.12.2020 – III ZB 31/20, ZAP EN-Nr. 100/2021 [Ls.]).
Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 11.5.2021 – VIII ZB 9/20; Beschl. v. 29.9.2021 – VII ZR 94/21; s. zuvor bereits BAG, Beschl. v. 7.8.2019 – 5 AZB 16/19) muss sich ein Anwalt allerdings vergewissern, dass der elektronische Versand eines Schriftsatzes erfolgreich war. Die Überprüfung der ordnungsgemäßen Übermittlung erfordere dabei die Kontrolle, ob die automatische Bestätigung des Eingangs des elektronischen Dokuments bei Gericht (vgl. § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO) erteilt wurde. Bleibt sie aus, müsse dies den Rechtsanwalt zur Überprüfung und ggf. erneuten Übermittlung veranlassen.
2. Anforderungen an die Berufungsbegründungsschrift
Der V. Senat hat sich zu den Anforderungen an die Erstellung einer Berufungsbegründung geäußert (BGH, Beschl. v. 11.2.2021 – V ZR 137/20 m. Anm. Klose NJ 2021, 268 f.). Insofern ergibt sich aus dem Anwaltszwang (§ 78 Abs. 1 ZPO) und den Regelungen über den notwendigen Inhalt einer Berufungsbegründung (§ 520 Abs. 3 ZPO) dass die Begründungsschrift das Ergebnis der geistigen Arbeit des Berufungsanwalts sein muss und ansonsten als unzulässig verworfen werden kann. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Anwalt die Begründung nicht von anderen Personen – speziell einem Referendar – vorbereiten lassen darf, er muss sie sich aber im Anschluss zu eigen machen, also eigenverantwortlich prüfen und in der Folge die volle Verantwortung für den Schriftsatz übernehmen. Die Übernahme der Verantwortung wird grds. durch die Unterschrift in einem dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit genügenden Umfang herausgestellt. Dies kann jedoch durch die sonstigen äußeren Umstände widerlegt werden. Insbesondere soll ein Schriftsatz, der – verglichen mit den Ausführungen von Rechtsanwälten im Allgemeinen und vorherigen Äußerungen des postulationsfähigen Anwalts im Besonderen – nach Substanz und Stil durch Unübersichtlichkeit, Redundanz und schwere Verständlichkeit geprägt ist und die juristischen Fachkenntnisse vermissen lässt, den Schluss darauf zulassen, dass er ohne inhaltliche Prüfung unbesehen unterschrieben wurde und damit nicht das Ergebnis der geistigen Arbeit des Anwalts sein kann.
In weiteren Beschlüssen aus dem Umfeld der sog. Diesel-Fälle haben der VI. und der III. Senat später im Jahr Stellung zu den inhaltlichen Anforderungen der Berufungsbegründung genommen (BGH, Beschl. v. 6.7.2021 – VI ZR 370/19; BGH, Beschl. v. 5.8.2021 – III ZB 46/20 m. Anm. Klose NJ 2021, 511 f.). Damit im Zusammenhang stehende Fragen haben zuletzt eine besondere Brisanz gewonnen, da die Gerichte in Massenverfahren, wie denjenigen zum Diesel-Skandal, zunehmend mit standardisierten, kaum auf den konkreten Einzelfall angepassten Schriftsätzen konfrontiert werden. Wie die beiden Beschlüsse zeigen, gibt der BGH insofern – vor dem Hintergrund der Zwecke der formellen Anforderungen im Ergebnis zu Recht – eine großzügige Linie vor. Damit die Berufung zulässig ist, muss der Schriftsatz zwar noch einen konkreten Fallbezug aufweisen, also Angaben dazu enthalten, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils bekämpft werden und was ihnen entgegengesetzt wird, aber weder schlüssig noch rechtlich haltbar sein. Damit ist es – wie der III. Senat hervorhebt – e...