Das Kammergericht Berlin hat in seinem Urt. v. 1.4.2021 festgestellt, dass eine Existenzbedrohung für gewerbliche Mieter durch coronabedingte Schließungen nicht im Einzelfall festgestellt werden muss und damit entgegen den Urteilen des LG München I, LG München II bzw. OLG Dresden und OLG Karlsruhe entschieden.
Vielmehr seien die Nachteile, die mit einer solchen staatlich angeordneten Schließung verbunden sind, solidarisch von beiden Parteien des Mietvertrages zu tragen. Das Kammergericht Berlin hält fest, dass die Gewerbemiete für die Zeit während staatlich angeordneter Schließung (hier: April/Mai 2020) herabzusetzen ist und führt in einer Kernaussage aus:
Zitat
"... Dies gelte generell, eine konkrete Existenzbedrohung des Mieters im Einzelfall müsse nicht nachgewiesen werden ..."
Den Grund dafür sieht das KG Berlin in Art. 240 § 7 EGBGB und führt zur Begründung an:
Zitat
"... dass zur Geschäftsgrundlage der Parteien als Vermieter und Mieterin von Geschäftsräumen auch die Vorstellung gehöre, dass es nicht zu einer Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens infolge pandemiebedingter Nutzungsuntersagungen und -beeinträchtigungen kommen werde, sodass das Auftreten einer Pandemie mit den entsprechenden weitreichenden staatlichen Eingriffen in das wirtschaftliche und soziale Leben eine schwerwiegende Änderung der für die Vertragslaufzeit vorgestellten Umstände bedeute und damit das tatsächliche Element der Störung der Geschäftsgrundlage verwirkliche."
Insofern sei für den Mieter auch überhaupt nicht vorhersehbar gewesen, dass dieser aufgrund staatlich angeordneter Schließung des Ladenlokals dieses in der für sein Gewerbe vorgesehenen Weise nicht habe nutzen können. Es liege daher nahe, dass die Vertragsparteien, wenn sie diese Veränderung der Geschäftsgrundlage vorhergesehen hätten, den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten. Dabei sei zu vermuten, dass eine Mietzinsabsenkung für den Zeitraum einer zweimonatigen Zwangsschließung vereinbart worden wäre, wenn die Parteien des Mietvertrages die Beschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie vorhergesehen hätten.
Das Urteil ist aber nicht nur von seinem materiell-rechtlichen Gehalt her von grundsätzlicher Bedeutung, sondern auch im Hinblick auf die an zivilprozessbestehende Darlegungs- und Beweislast.
Das KG Berlin hält nämlich fest, dass eine konkrete Existenzbedrohung aufgrund der behördlich angeordneten Schließung für den Mieter anhand seiner betriebswirtschaftlichen Daten nicht positiv festgestellt werden müsse, sondern die "unter Umständen existenziell bedeutsamen Folgen" i.S.d. Rechtsprechung des BGH zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auch dann zu vermuten seien, wenn eine angeordnete Schließung einen Monat oder länger andauere.