Rechtsanwältinnen und -anwälte können nur dann darauf vertrauen, dass einem (ersten) Antrag auf Fristverlängerung für die Berufungsbegründung stattgegeben wird, wenn diesem eine Begründung beigefügt war. Dies hat kürzlich der Bundesgerichtshof unter Verweis auf § 520 Abs. 2 ZPO entschieden (Beschl. v. 14.11.2023 – XI ZB 10/23).
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten – ohne nähere Begründung – beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat zu verlängern. Daraufhin verfügte der Senatsvorsitzende, die Partei erhalte im Hinblick auf § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO Gelegenheit, den Fristverlängerungsantrag unverzüglich zu begründen. Diese Verfügung sollte dem Prozessbevollmächtigten mit Begleitschreiben über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) mitgeteilt werden. Versehentlich wurde jedoch nur das Begleitschreiben ohne die Verfügung übersandt. Darin heißt es: „Sehr geehrter Herr Rechtsanwalt (...), anliegende Dokumente werden Ihnen elektronisch übermittelt.” Nachdem in der Folgezeit keine anwaltliche Reaktion erfolgte, wies der Vorsitzende des Berufungssenats den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zurück, weil die Partei keine Einwilligung der Gegenseite beigebracht und entgegen § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO trotz des gerichtlichen Hinweises auch keine „erheblichen Gründe” dargelegt habe. Der BGH bestätigte diese Entscheidung nun.
Der Karlsruher Senat führte dazu in seiner Entscheidung aus: Ein Anwalt dürfe zwar nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen darauf vertrauen, dass einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist entsprochen werde, wenn dieser auf erhebliche Gründe i.S.d. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO gestützt sei. Dies setze jedoch die Darlegung dieser erheblichen Gründe voraus, auch wenn an diese bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Frist keine hohen Anforderungen gestellt werden dürften; so reiche hier der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedürfe.
Enthalte der Fristverlängerungsantrag allerdings keine Begründung, müsse der Prozessbevollmächtigte immer damit rechnen, dass der Senatsvorsitzende in der Verlängerung der Frist eine Verzögerung des Rechtsstreits sehen und das Gesuch deshalb ablehnen könnte. Der Anwalt dürfe dann auch nicht darauf vertrauen, dass andere Senate des Gerichts früheren Fristverlängerungsanträgen, die ebenfalls nicht besonders begründet waren, stets stattgegeben hätten. Dies allein reiche nicht aus, um eine gerichtliche Übung anzunehmen, auf die ein Vertrauen gestützt werden könne.
Die letztlich eigentliche Ursache der Fristversäumung – der fehlende beA-Anhang – sei zwar ein Fehler des Gerichts gewesen, räumt der Senat ein. Dies schließe die Kausalität des Anwaltsverschuldens für die Fristversäumung aber nicht aus. Aus der per beA erhaltenen Mitteilung des Gerichts hätte der Anwalt nämlich entnehmen können, dass ein darin in Bezug genommenes Dokument nicht beigefügt war. Er hätte deshalb rechtzeitig bei Gericht nachfragen müssen, welchen Inhalt dieses Dokument habe.
Kolleginnen und Kollegen, die einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stellen wollen, kann daher nur geraten werden, diesen künftig immer zumindest kurz zu begründen, selbst wenn sie dies bisher nicht für nötig gehalten haben.
[Quelle: BGH]
ZAP F., S. 90–98