(OLG Hamm, Beschl. v. 3.7.2023 – 31 U 71/23) • Grundsätzlich sind Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise ein Anwaltsschriftsatz nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 129, 130 Nr. 6 ZPO) eingereicht werden kann, unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Dabei erscheint eine technische Unmöglichkeit glaubhaft dargelegt, wenn die Übermittlung des Dokuments zusammen mit der Ersatzeinreichung erfolgt. Es genügt nicht, wenn eine Berufungsbegründungsschrift ohne weiteren Hinweis auf technische Störungen einfach in einen Nachtbriefkasten geworfen wird.
Anmerkung: In diesem Fall ging es um einen Streitwert von 150.000 EUR. Der Beklagtenvertreter legte die Berufung und den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist noch ordnungsgemäß per beA ein. Am Tage des Ablaufs der verlängerten Berufungsbegründungsfrist wurde diese jedoch in Form eines handschriftlich unterschriebenen Dokuments in Papierform in den Nachtbriefkasten eingelegt. Eine Woche später, nach Aufforderung des Gerichts, trug der Rechtsanwalt vor, es sei beabsichtigt gewesen, auch die Berufungsbegründung per beA einzureichen, dies sei jedoch aufgrund einer Störung im EGVP nicht möglich gewesen. Daraufhin habe man versucht, die Berufungsbegründung per Telefax mit einem gesonderten Anschreiben „teilen wir dem Gericht mit, dass aufgrund einer beA-Störung (...) die Berufungsbegründung nicht elektronisch übermittelt werden konnte (...)” zu versenden. Die Übermittlung per Telefax sei allerdings ebenfalls nicht möglich gewesen, sodass sich der Rechtsanwalt persönlich zum OLG begeben und die Berufungsbegründung – allerdings ohne das o.g. Anschreiben – in den Nachtbriefkasten eingeworfen habe. Die auch im Detail sehr lesenswerte Entscheidung des OLG macht deutlich, worauf es ankommt: Der Rechtsanwalt hätte bereits zum Zeitpunkt der Ersatzeinreichung den Nachweis der vorübergehenden technischen Störung erbringen und diese glaubhaft machen müssen. Die Glaubhaftmachung wäre auch durch hand- oder maschinenschriftlich erstellte, ggf. eigenhändig unterschriebene Papier-Dokumente möglich gewesen. Die im Nachhinein vorgelegten Nachweise waren allesamt beim Einwurf in den Nachtbriefkasten bereits vorhanden und hätten zur Glaubhaftmachung beigefügt werden müssen. Der Einwand des Rechtsanwalts, sein Sekretariat sei beim Einwurf in den Nachtbriefkasten nicht mehr besetzt gewesen, stellt keinen Hinderungsgrund dar. Zum einen ist es einem Rechtsanwalt grundsätzlich zuzumuten, Erklärungen zur Glaubhaftmachung selbst zu verfassen und zu Papier zu bringen, soweit die Störung (wie hier) zeitig vor Fristablauf bemerkt worden ist. Zum anderen waren die Unterlagen bereits (offenbar im Sekretariat) erstellt worden und lagen dem Rechtsanwalt vor, als er sich auf den Weg zum OLG machte. Ein Zeitraum von acht Tagen ist nach Auffassung des Gerichts nicht unverzüglich, er wurde im vorliegenden Fall als zu lang bewertet. Der Rechtsanwalt durfte auch nicht auf das gerichtliche Schreiben warten, um die Glaubhaftmachung einzureichen, er hätte von sich aus tätig werden müssen.
Praxistipp:
Anwälte können sich nicht mit dem Hinweis, das Sekretariat sei nicht mehr besetzt gewesen, aus der Verantwortung ziehen. Im Falle einer Ersatzeinreichung müssen die Gründe glaubhaft gemacht und unmittelbar mitgeteilt werden, im Zweifel sogar auf einem handschriftlichen Zettel.