I. Einführung
Abgesehen von den Fällen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 VV RVG kann der Anwalt in sozialgerichtlichen Verfahren, die sich nicht nach dem Wert richten, auch nach Anm. S. 1 zu Nr. 3106 VV RVG, Anm. S. 1 zu Nr. 3204 VV RVG und Anm. zu Nr. 3213 VV RVG eine Terminsgebühr verdienen. Diese Terminsgebühren werden gewährt, obwohl in diesen Fällen gar kein Termin stattgefunden hat. Ein Termin wird in diesen Fällen fingiert, um dem Anwalt eine Terminsgebühr zusprechen zu können. Daher spricht man hier auch von einer "fiktiven Terminsgebühr".
Hinweis:
Zu beachten ist, dass die Höhe der Terminsgebühr in diesen Fällen keinem eigenen Gebührenrahmen mehr unterliegt, sondern seit Inkrafttreten des 2. KostRMoG zum 1.8.2013 mit 90 % oder 75 % der jeweiligen Verfahrensgebühr festgeschrieben ist (Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV RVG; Anm. S. 2 zu Nr. 3204 VV RVG; Anm. zu Nr. 3213 VV RVG). Damit sollte eine Gleichstellung zu den Wertgebühren erreicht werden. Das erstinstanzliche Verhältnis von Terminsgebühr zu Verfahrensgebühr beträgt (1,2/1,3 =) 92,31 %, gerundet also 90 %. Das Verhältnis im Rechtsmittelverfahren (1,2/1,6) beträgt genau 75 %.
II. Erstinstanzliches Verfahren
1. Überblick
Im erstinstanzlichen Verfahren vor den Sozialgerichten richtet sich die fiktive Terminsgebühr nach Anm. S. 1 zu Nr. 3106 VV RVG.
Danach entsteht eine Termingsgebühr, wenn
Die Höhe der Terminsgebühr ist in diesen Fällen gem. Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV RVG mit 90 % der jeweiligen Verfahrensgebühr festgeschrieben (s.u. 8.).
2. Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Einverständnis der Parteien
Voraussetzung dieser Variante ist zunächst, dass im zugrunde liegenden Verfahren eine eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist. Diese Voraussetzung ist in allen erstinstanzlichen gerichtlichen Erkenntniserfahren vor den Sozialgerichten grundsätzlich gegeben, § 124 Abs. 1 SGG. Wird hier im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 124 Abs. 2 SGG), so entsteht nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV RVG eine Terminsgebühr.
Beispiel 1: Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (I)
Über die Anfechtungsklage wird im Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Da im Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (§ 124 Abs. 1 SGG), entsteht nach Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV RVG eine Terminsgebühr. Die Höhe der Terminsgebühr beläuft sich gem. Anm. S. 2 zu Nr. 3106 VV RVG auf 90 % der Verfahrensgebühr (s.u. 8.). Geht man hinsichtlich der Verfahrensgebühr von der Mittelgebühr aus, ergibt sich folgende Berechnung:
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
|
300,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Anm. S. 1 Nr. 1 zu Nr. 3106 VV RVG |
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270,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
590,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
|
112,10 EUR |
|
Gesamt |
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702,10 EUR |
Ungeachtet des § 124 Abs. 2 SGG gibt es jedoch Verfahrenssituationen, in denen das Gericht auch ohne Zustimmung der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann. Das ist in allen Fällen gegeben, in denen das Gericht im Beschlusswege entscheiden kann (§ 124 Abs. 3 SGG). Hauptanwendungsfall ist hier die Entscheidung über die Kosten, wenn sich ein Verfahren anders als durch Urteil erledigt hat (§ 193 Abs. 1 S. 3 SGG). In diesem Fall entsteht keine Terminsgebühr, allerdings nicht – wie es fälschlicherweise immer wieder begründet wird –, weil eine mündliche Verhandlung im Verfahren nicht vorgeschrieben sei, sondern weil hier die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht der Zustimmung der Parteien bedarf, sondern das Gericht auch ohne Zustimmung der Parteien von der mündlichen Verhandlung absehen kann.
Beispiel 2: Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (II)
Nach Erledigung des Verfahrens entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens ohne mündliche Verhandlung.
Da über die Kosten des Verfahrens nach § 193 Abs. 1 S. 3 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann (§ 124 Abs. 3 SGG), bedarf es insoweit nicht der Zustimmung der Parteien. Daher entsteht keine Terminsgebühr, sondern nur die Verfahrensgebühr.
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG |
|
300,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
320,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
|
60,80 EUR |
|
Gesamt: |
|
380,80 EUR |
3. Abschluss eines schriftlichen Vergleichs
Bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG war umstritten, ob die Terminsgebühr in sozialgerichtlichen Verfahren in analoger Anwendung der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV RVG anfallen konnte, wenn ein schriftlicher Vergleich geschlos...