Im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich der Norm hat sich im Vergleich zur alten Fassung die Dauer der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht geändert: Erfasst werden nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG n.F. natürliche Personen, die insgesamt mindestens sieben Jahre in den letzten zwölf Jahren nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig waren. Die bisherige starre Zehn-Jahres-Frist wurde also stark modifiziert. Insbesondere bei Entsendungsfällen mit Aufenthaltszeiten in Deutschland zwischen den Auslandsaufenthalten ist nun Vorsicht geboten, da in diesen Fällen typischerweise sieben Jahre unbeschränkter Einkommensteuerpflicht in zwölf Jahren insgesamt eher verwirklicht werden als zehn Jahre unbeschränkter Einkommensteuerpflicht am Stück.
Bei Anteilserwerb durch zumindest teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft wird nach § 6 Abs. 2 S. 1 AStG n.F. weiterhin auch die Dauer der unbeschränkten Steuerpflicht des Rechtsvorgängers in die Zehn-Jahres-Frist miteinbezogen. Perioden, in welchen der Rechtsvorgänger sowie sein Nachfolger gleichzeitig unbeschränkt steuerpflichtig sind, werden nur einmal berechnet (§ 6 Abs. 2 S. 3 AStG n.F.).
Sachlich setzt die Norm das Halten von Anteilen i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG (Anteile i.H.v. mindestens 1 % am Kapital von in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften innerhalb der letzten fünf Jahre) voraus. Noch nicht geklärt scheint, ob auch Anteile an zur Körperschaftsteuerbesteuerung optierenden Personengesellschaften aufgrund der Fiktion des § 1a KStG in den sachlichen Anwendungsbereich von § 6 AStG fallen.
Besteuerungstatbestände sind nach § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–4 AStG n.F. neben der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts die Folgenden:
- (weiterhin) Schenkung (auch gemischt) oder Vererbung der Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person;
- (subsidiär zu den vorgenannten Gründen) Ausschluss oder Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile.
Besteuerungszeitpunkte, d.h. die Zeitpunkte, zu denen die Veräußerung fingiert wird, sind
- im Falle der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts die tatsächliche Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht;
- im Falle der Schenkung (auch gemischt) oder Vererbung der Anteile auf eine nicht unbeschränkt steuerpflichtige Person der Zeitpunkt der Übertragung;
- im Falle des sonstigen Ausschlusses oder der Beschränkung des Besteuerungsrechts Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile der Zeitpunkt, zu dem der Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts eintritt.
Rechtsfolge der Wegzugsbesteuerung ist nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG n.F. die Anwendung von § 17 EStG, d.h. der Ansatz eines fiktiven Veräußerungsgewinns zum zuvor erläuterten Besteuerungszeitpunkt. Nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG n.F. ist der fiktive Veräußerungspreis dabei am gemeinen Wert der Anteile zu orientieren. Mangels tatsächlich realisierten Veräußerungsgewinns ist der Veräußerungsgewinn daher aus der Differenz zwischen dem gemeinen Wert der Anteile und den Anschaffungskosten zu berechnen.
Kommt es nach dem Wegzug tatsächlich zu einer Veräußerung der Anteile, erfolgt zwar gem. § 6 Abs. 1 S. 3 AStG n.F. zusätzlich zur Wegzugssteuer eine Besteuerung nach §§ 17, 49 Abs. 1 Nr. 2e EStG. Jedoch wird die Bemessungsgrundlage dieser Besteuerung um den bereits nach § 6 Abs. 1 S. 3 AStG n.F. erfassten Vermögenszuwachs gekürzt, soweit die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer entrichtet worden ist; andernfalls gelten diese weiterhin als zu den ursprünglichen Anschaffungskosten erworben.
Nach § 6 Abs. 3 AStG n.F. entfällt der Steueranspruch gem. § 6 Abs. 1 AStG n.F., wenn die unbeschränkte Steuerpflicht auf nur vorübergehender Abwesenheit beruht und der Steuerpflichtige innerhalb von sieben (zuvor: fünf) Jahren nach Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig wird. Dies kann im Fall der unentgeltlichen Übertragung durch den Steuerpflichtigen auf eine natürliche Person von Todes wegen gem. § 6 Abs. 3 S. 2 AStG n.F. auch durch den Rückzug/Zuzug nach Deutschland der betreffenden Person oder, infolge aufeinanderfolgender unentgeltlicher Weiterübertragung zwischen natürlichen Personen von Todes wegen, der (un)mittelbaren Rechtsnachfolger erfolgen.
Eine Rückkehrabsicht muss nach Auffassung des BFH zum Zeitpunkt des Wegzugs nicht vorliegen (BFH, Urt. v. 21.12.2022 – I R 55/19). Entgegen der vorgehenden Entscheidung des FG Münster (FG Münster, Urt. v. 31.10.2019 – 1 K 3448/17 E) sei nach der Entscheidung des BFH das zum Entfallen der Wegzugsbesteuerung führende Merkmal der „nur vorübergehenden Abwesenheit” in § 6 Abs. 3 S. 1 AStG a.F. unabhängig von einer Rückkehrabsicht erfüllt, wenn der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren nach dem Wegzug wieder unbeschränkt steuerpflichtig werde. Denn der Gesetzeswortlaut gebe keine Auskunft zum Zeitpunkt der entsprechenden Willensbi...