Im Auftrag des Justizministeriums des Landes NRW hat das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) kürzlich die Studienabbrüche in den Staatsexamens-Studiengängen Jura an den deutschen Universitäten analysiert. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen dabei die Motive des jeweiligen Studienabbruchs, die Erkundung zentraler Einflussfaktoren auf den Studienabbruch sowie der berufliche Verbleib der Studienabbrecherinnen und Studienabbrecher und deren Zufriedenheit.
Die Studienabbruchquote in den Staatsexamens-Studiengängen Jura liegt für die Studienanfängerjahrgänge 2007–2009 nach den Berechnungen des DZHW bei 24 %. Diese Abbrecherquote, so die Forscher, läge damit weitaus höher als die betreffenden Quoten in anderen Studiengängen mit Staatsexamina, wie z.B. Humanmedizin oder Lehramts-Studiengänge. Zudem stellten sie fest, dass in keinem anderen Fach das Studium in einem so späten Stadium abgebrochen wird wie in Jura: im Durchschnitt geschehe dies nach etwa fünf Semestern, im Jurastudium dagegen erst nach fast sieben; mehr als ein Viertel der Jura-Abbrecher ziehe die Reißleine sogar erst nach dem zehnten Semester.
Ein erheblicher Teil der Jurastudierenden habe gleich zu Beginn Probleme, stellen die Forscher fest. Zum einen hätten sie von Anfang an Schwierigkeiten, den Leistungsanforderungen gerecht zu werden, zum anderen seien sie oft orientierungslos und enttäuscht von den Inhalten.
Eine zentrale Ursache für diesen Befund sieht die Studie in Faktoren, die dem Studium vorgelagert sind. Die Studienabbrecher in Jura hätten sich im Vergleich zu den erfolgreichen Absolventen häufiger aus extrinsischen Gründen für dieses Studienfach entschieden. Sie strebten nach "beruflichem Aufstieg" und "vielfältigen beruflichen Möglichkeiten", ohne dass sie über ein tiefergehendes Fachinteresse verfügten. Dies zeige sich auch in einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Studienabbrechern, die Jura nicht als ihr Wunschstudium bezeichnet hatten. Hinzu komme oft eine falsche Selbsteinschätzung im Hinblick auf die Anforderungen eines Jurastudiums.
Bei vielen Betroffenen habe es an Möglichkeiten gefehlt, bereits in der Schule und vor Studienbeginn ausreichende Kenntnisse und Erfahrungen zu juristischen Inhalten und Tätigkeiten zu erwerben. Nach Beginn des Studiums seien sie dann enttäuscht von den Studieninhalten.
Ursachen für die hohe Abbrecherquote im Fach Jura sieht die Studie aber auch bei den Universitäten. Es gebe gerade in diesem Fach eine "beträchtliche Distanz zwischen Lehrenden und Studierenden". Im Jurastudium habe sich im Unterschied zu anderen Fächern bislang keine "Tradition eines lebendigen Diskurses" zwischen Lehrenden und Studierenden entwickelt, weder in noch neben den Lehrveranstaltungen. Daneben seien auch die derzeit für abbruchgefährdete Studierende angebotenen Unterstützungs- und Hilfsangebote offensichtlich nicht ausreichend.
Um die derzeitige unbefriedigende Situation zu ändern, empfehlen die Forscher gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen. So müsse zum einen bereits vor dem Studium angesetzt werden, um die fachliche Vorbereitung auf das Jurastudium zu verbessern. Es könnten etwa juristische Inhalte in den Lehrstoff der gymnasialen Oberstufe integriert werden, zudem könnte ein Praktikanten-Programm für Schüler eingerichtet werden. Für den Studienzugang empfehlen die Forscher die Etablierung von Auswahlverfahren, etwa sog. Self-Assessments oder die verpflichtende Begründung der Studienwahl durch "Motivationsschreiben". Nach Studienbeginn müsse es studienbegleitende fachbezogene Angebote für Studierende mit ungünstigen fachlichen Studienvoraussetzungen bzw. mit Leistungsproblemen geben. Auch könnten mentorenbegleitete Lerngruppen in den ersten beiden Semestern des Jurastudiums fachliche Defizite beheben helfen.
Erheblichen Modernisierungsbedarf sehen die Forscher auch beim Lehrplan. So sollte das Curriculum derart strukturiert werden, dass es nach bestimmten Zeiträumen für die Studierenden "ernsthafte Bewährungssituationen" bereithalte. Die derzeit bestehende große Distanz zwischen Professoren und Studenten solle durch vorrangig diskursive Lehrangebote jenseits der Vorlesungen verringert werden.
Die ausführliche 98-seitige Analyse der Forscher zum Studienabbruch bei Jurastudenten kann auf der Internetseite des DZHW unter http://www.dzhw.eu/pdf/21/dzhw-gutachten-ursachen-studienabbruch-staatsexamen-jura.pdf abgerufen werden.
[Quelle: DZHW]