Entschädigungsfragen auf der Grundlage des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) spielen in der Praxis immer wieder eine Rolle. Das LG Görlitz (Beschl. v. 25.10.2018 – 13 Qs 124/18, StRR 12/2018, 3) hat sich damit im Zusammenhang mit einem gegen den Angeklagten erlassenen Sitzungshaftbefehl wegen Ausbleibens in der Hauptverhandlung befasst.
Nach dem Sachverhalt war der Angeklagte im Hauptverhandlungstermin vom 1.3.2017 unentschuldigt nicht erschienen. Die zunächst angeordnete Vorführung des Angeklagten scheiterte, so dass auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Sitzungshaftbefehl gem. § 230 Abs. 2 StPO erlassen wurde. Aufgrund des erlassenen Sitzungshaftbefehls wurde der Angeklagte dem zuständigen Richter am 7.4.2017 vorgeführt. Der Haftbefehl wurde in Vollzug gesetzt und dem Angeklagten gem. § 140 Abs. 2 StPO eine Pflichtverteidigerin beigeordnet. Mit Verfügung vom 10.4.2017 wurden die Ermittlungsakten der Pflichtverteidigerin zur Akteneinsicht für drei Tage übersandt und die Wiedervorlage nach einer Woche angeordnet. Diese Verfügung wurde am 13.4.2017 ausgeführt. Die Akten gelangten aus der Akteneinsicht am 25.4.2017 wieder zurück zum Amtsgericht. Mit Verfügung vom 26.4.2017 verfügte der zuständige Richter "zur Terminierung". In der Folgezeit unternahm dieser nichts. Mit Schreiben vom 27.7.2017 stellte die Staatsanwaltschaft eine Sachstandsanfrage. Die Geschäftsstelle teilte daraufhin mit, dass ein Termin für den 30.8.2017 abgestimmt gewesen sei, dieser aber aufgehoben werden müsse, da der zuständige Richter in der Woche vorm 28.8.2017 bis 1.9.2017 kurzfristig aus privaten Gründen Urlaub geplant habe. Am 29.9.2017 legte der inzwischen beauftragte Wahlverteidiger des Angeklagten Haftbeschwerde gegen den Haftbefehl vom 1.3.2017 ein. Der wurde mit Verfügung vom 5.10.2017 aufgehoben. Im neuen Hauptverhandlungstermin vom 26.9.2018 wurde der Angeklagte freigesprochen. Ein Anspruch auf Entschädigung für die erlittene Sitzungshaft nach dem StrEG wurde verwehrt. Dagegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten.
Diese hatte beim LG Görlitz Erfolg. Das LG hat dem ehemaligen Angeklagten für den Zeitraum vom 29.4.2017 bis zum 5.10.2017 nach § 2 Abs. 1 StrEG eine Entschädigung für die erlittene Haft gewährt.
Das LG (a.a.O.) stellt zunächst klar, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 StrEG auch auf den Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO anzuwenden sei. Die mit ihm bezweckte Sicherstellung des Angeklagten sei ein Unterfall des Haftgrundes der Fluchtgefahr oder der Flucht wie er in § 112 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StPO sei. Daher sei die sog. Sitzungshaft gem. § 230 Abs. 2 StPO eine Strafverfolgungsmaßnahme i.S.d. § 2 StrEG (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 96; Meyer-Goßner/Schmidt, § 2 StrEG Rn 2). Dafür spreche bereits der Wortlaut des § 230 Abs. 2 StPO, in dem dort der Begriff "Haftbefehl" verwendet werde. Die Haft nach § 230 Abs. 2 StPO werde zudem gem. § 51 StGB auf eine eventuell zu verhängende Freiheitsstrafe angerechnet. Zudem wäre die Ausschlussregelung des § 5 Abs. 3 StrEG ohne Belang, wenn schon per se die Haft nach § 230 Abs. 2 StPO dem Strafrechtsentschädigungsgesetz nicht unterfiele. Es bestünde weiterhin eine nicht hinnehmbare Regelungslücke – wie im Übrigen dieser Fall – gerade zeigt.
Der somit grundsätzlichen Entschädigungspflicht stehe – so das LG – § 5 Abs. 3 StrEG nach Ablauf von drei Wochen nicht mehr entgegen. Zwar sei die am 1.3.2017 angeordnete Sitzungshaft nach § 230 Abs. 2 StPO zutreffend angeordnet worden, da der Angeklagte trotz Ladung unentschuldigt dem Hauptverhandlungstermin ferngeblieben und eine zunächst angeordnete Vorführung erfolglos geblieben sei. Aufgrund des bestehenden Sitzungshaftbefehls sei der Angeklagte am 7.4.2017 dem zuständigen Richter vorgeführt und der Haftbefehl in Vollzug gesetzt worden. Ein Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Freiheitsrecht bedürfe aber zwingender Gründe und in allen Fällen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die Inhaftierung nach § 230 Abs. 2 StPO dürfe ihrem Sinn nach nur auf eine zeitlich eng begrenzte Dauer angeordnet werden. Bei länger andauernden Unterbrechungen der Hauptverhandlung müsse ggf. ein Haftbefehl nach §§ 112 ff. StPO erlassen werden. Der zuständige Richter sei gehalten, einen solchen Termin unverzüglich anzuberaumen, um der Verhältnismäßigkeit der Mittel gerecht werden zu können. Nur dann, wenn ihm dies in der gebotenen Eile nicht möglich sein sollte, sei der zunächst angeordnete Sitzungshaftbefehl ggf. in einen Haftbefehl nach §§ 112 ff. StPO umzuwandeln oder aufzuheben.
Das LG führt weiter aus, dass in Rechtsprechung und Literatur bisher keine gesetzlichen Höchstfristen für die Dauer der sog. Sitzungshaft gem. § 230 Abs. 2 StPO, noch Grenzen im Spannungsfeld zwischen der Anordnung eines Haftbefehls nach § 230 Abs. 2 StPO und eines Haftbefehls nach §§ 112 ff. StPO bestimmt worden seien. Im vorliegenden Fall handele es sich jedoch um ein einfach gelagertes Strafverfahren, welches zudem bereits d...