Zusammenfassung
Im Rahmen einer privaten Unfallversicherung sind nicht alle Unfallereignisse vom Versicherungsschutz erfasst. Von besonderer praktischer Bedeutung ist der Ausschluss von Unfällen, die durch eine Geistes- oder Bewusstseinsstörung ausgelöst wurden. Darunter fallen auch durch Alkoholkonsum bzw. Trunkenheit verursachte Bewusstseinsstörungen. Viele Versicherer (VR) bieten sog. Alkoholklauseln an, mit denen Unfälle infolge einer alkoholbedingten Bewusstseinsstörung in den Versicherungsschutz eingeschlossen werden. Dieser Beitrag (erste Fassung in zfs 2023, 64) stellt die Alkoholklauseln vor, ordnet diese in unser Rechtssystem ein und greift damit verbundene Fragen auf.
I. Regelung und systematische Einordnung des Ausschlusses von Bewusstseinsstörungen nach den Musterbedingungen
1. Allgemeines zur Ausschlussregelung
Der Ausschlusstatbestand lautet in den Musterbedingungen des GdV (die aktuellen unverbindlichen Musterbedingungen des GdV sind unter www.gdv.de zu finden).
Ziff. 5.1 Ausgeschlossene Unfälle
Kein Versicherungsschutz besteht außerdem für folgende Unfälle:
Ziff. 5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Bewusstseinsstörungen sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der versicherten Person ergreifen.
Eine Bewusstseinsstörung liegt vor, wenn die versicherte Person in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist. Ursachen für die Bewusstseinsstörung können sein:
- eine gesundheitliche Beeinträchtigung,
- die Einnahme von Medikamenten,
- Alkoholkonsum,
- Konsum von Drogen oder sonstigen Mitteln, die das Bewusstsein beeinträchtigen.
Der Ausschluss erfasst solche Risiken, die über das normale Unfallrisiko hinausgehen, weil die versicherte Person (VP) bei den genannten Zuständen nicht in der Lage ist, eine drohende Unfallgefahr klar zu erkennen oder überhaupt wahrzunehmen und sich zwecks Vermeidung des Unfalls entsprechend richtig zu verhalten (BGH, Urt. v. 27.2.1985 – IV a ZR 96/83, VersR 1985, 583 f.). Solche Risiken will der VR grundsätzlich nicht übernehmen. Der Ausschluss ist wirksam (vgl. Bruck-Möller/Leverenz, VVG-Kommentar, Bd. 9, AUB 2008 Ziff. 5.1.1 Rn 74).
Unfälle der VP durch Bewusstseinsstörungen sowie durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der VP ergreifen, sind ausgeschlossen, d.h. eine Bewusstseinsstörung oder ein Anfall zu Beginn der Kausalkette lässt den Versicherungsschutz entfallen (van Bühren/Naumann, Handbuch Versicherungsrecht, § 16 Rn 87). Der Aufsatz befasst sich im Weiteren nicht mit den ausgeschlossenen Unfällen durch Schlaganfälle, epileptische Anfälle oder andere Krampfanfälle, die den ganzen Körper der VP ergreifen.
Erforderlich ist, dass die Bewusstseinsstörung adäquat kausal für das Unfallereignis ist, wobei Mitursächlichkeit ausreicht (BGH, Urt. v. 10.2.1982 – IVa ZR 194/80, VersR 1982, 463).
Mit den AUB 2014 wurde eine Definition des Begriffs der Bewusstseinsstörung in die AUB aufgenommen, die sich an den bis dahin in der Rechtsprechung enthaltenen Grundsätzen orientiert (van Bühren/Naumann, Handbuch Versicherungsrecht, § 16 Rn 88 f.). Danach liegt eine Bewusstseinsstörung vor, wenn die VP in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist. Es bedarf immer einer fallbezogenen Betrachtungsweise der konkreten Lebenssituation und der Bewertung, in welchem Maße dabei die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit der VP gefordert wird (vgl. Naumann/Brinkmann, Die private Unfallversicherung, § 4 Rn 18 m.w.N.).
Als mögliche Bewusstseinsstörungen kommen u.a. der Zustand des kurz „Schwarz vor Augen Werdens” (OLG Hamburg, Urt. v. 25.4.2007 – 9 U 23/07, r+s 2007, 386.), eine Ohnmacht oder Synkope (OLG Hamm, Urt. v. 14.8.1985 – 20 U 72/85, VersR 1986, 1187, 1188; Bruck-Möller/Leverenz, VVG-Kommentar, Bd. 9, AUB 2008 Ziff. 5.1.1 Rn 69.), eine Schlafapnoe (Sekundenschlaf) (LG Hannover, Urt. v. 31.1.1997 – 10 S 78/96, r+s 1997, 481), aber auch andere, den Körper der VP ergreifende Bewusstseinsstörungen in Betracht, welche die Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit der VP entsprechend beeinträchtigen. Es reicht eine kurzzeitige gesundheitsbedingte Störung der Aufnahme- und Gegenwirkungsmöglichkeit aus (LG Ravensburg, Urt. v. 28.7.2011 – 1 O 75/11, r+s 2012, 349). Die Ursachen der Bewusstseinsstörungen können unterschiedlicher Natur sein, u.a. Alkoholkonsum. Das gilt für alle Bedingungsgenerationen der AUB, in den AUB 2014 und 2020 wird der Alkoholkonsum ausdrücklich genannt.
Das Vorliegen des Ausschlusstatbestandes hat der VR nach den allgemeinen Regelungen zu beweisen. Den Versicherten bzw. Versicherungsnehmer (VN) trifft eine sekundäre Darlegungslast, solche Informationen aus seiner Sphäre darzutun, die dem Versicherer nicht ohne Weiteres zugänglich sind (OLG Hamm, Urt. v. 14.5.2008 – 20 U 148/07, VersR 2009, 349), wie z.B. Angaben zum Unfallort und Unfallhergang, zu polizeilichen Ermittlungen, in den konkreten Fällen auch zum Alkoholkonsum.
2. Besonderheiten bei alkoholbedingten Bewusstseinsstörungen
a) Allgemeines
Bewusstseinsstörungen können durch ...