Das Bundesfinanzministerium hat Ende vergangenen Jahres den Entwurf einer Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts 2019 (ErbStR 2019) vorgelegt. Die neuen Richtlinien sollen im Wesentlichen den zwischenzeitlich erfolgten Rechtsänderungen, Änderungen der Verwaltungsauffassung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung Rechnung tragen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um Änderungen am Erbschaftsteuerrecht, sondern um Vorgaben an die Steuerverwaltung nach Art. 108 Abs. 7 GG, die Weisungen an die Finanzbehörden zur einheitlichen Anwendung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts enthalten.
Der Entwurf liegt derzeit den Verbänden zur Stellungnahme vor. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat im Januar seine Stellungnahme abgegeben und dabei grundsätzliche Zustimmung aus Sicht der Anwaltschaft signalisiert. Gleichwohl äußert der DAV aber auch an einigen Punkten Kritik.
Einer dieser Kritikpunkte betrifft die Bildung der Lohnsumme. Hier wünscht sich der DAV eine klarstellende Regelung, wann von einer nicht hinreichenden Abbildung der Lohnsumme ausgegangen werden muss. Nach Ansicht des Vereins muss die taggenaue Zugehörigkeit in den entsprechenden Fällen die Regel sein, die nur im Missbrauchsfall durchbrochen werden darf. Es könne nicht richtig sein, dass der Erwerb einer Beteiligung irgendwann innerhalb des Ausgangslohnsummenzeitraums dazu führe, dass eine solche Beteiligung so zu behandeln sei, als gehöre sie bereits seit fünf Jahren zum Betrieb.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Veräußerung des Betriebsvermögens durch den oder die Erben. Hier knüpft der Anwendungserlass die steuerlichen Wirkungen bereits an den schuldrechtlichen Vertrag. Dies wirft aus Sicht des DAV erhebliche Probleme auf. Bislang sei es im ErbStG grundsätzlich auf den Eigentumsübergang, also das dingliche Rechtsgeschäft, angekommen. Der jetzige Richtungswechsel verkenne das teilweise zeitlich erhebliche Auseinanderfallen von schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft. Gerade bei Unternehmenskaufverträgen liege oftmals ein längerer Zeitraum zwischen Vertragsunterzeichnung – dem sog. Signing – und dinglicher Übertragung – dem sog. Closing. So müssten für die Übereignung oftmals noch unterschiedliche Voraussetzungen erfüllt werden, z.B. die Einholung von Genehmigungen. Erst wenn alle Voraussetzungen erfüllt seien, komme es zur Übereignung. Würde hier auf das obligatorische Rechtsgeschäft abgestellt, hätte dies zur Folge, dass erbschaftsteuerlich von einer Veräußerung auszugehen wäre, obwohl es möglicherweise gar nicht mehr zu einer dinglichen Übertragung komme. Damit könnten Besteuerungstatbestände ausgelöst werden, beispielsweise die Nachversteuerung wegen eines Verstoßes gegen die Behaltensfrist.
Weiter kritisiert der DAV, dass laut den neuen Anwendungsvorschriften die sog. Investitionsklausel auch auf nachgelagerten Beteiligungsstufen zur Anwendung kommen soll. Die Anforderungen dieser Regelungen seien in der Praxis "nahezu nicht umsetzbar". Eine Investitionsentscheidung treffe i.d.R. die Geschäftsleitung, der der Erblasser oftmals nicht angehöre. Auch sei es nicht der Regelfall, dass die Gesellschafterversammlung eine solche Investition der Geschäftsleitung der nachgelagerten Beteiligungsstufe anordne. Das bedeute für die Praxis, dass die Investitionsklausel in einer Vielzahl der Fälle leerlaufe, da es entsprechend an dem Einfluss des Erblassers fehlt. Der DAV plädiert deshalb dafür, dass auch auf unterer Beteiligungsebene die Entscheidung der Geschäftsleitung dem Erblasser zugerechnet wird. Nur so werde dem Sinn und Zweck der Regelung entsprochen, dass die Ausnahmevorschrift in den Fällen zum Tragen komme, dass ein betrieblicher Ablauf für einen vorübergehenden Zeitraum zu einem erhöhten Verwaltungsvermögen führe, der durch die geplante Investition des Verwaltungsvermögens in produktives Vermögen wieder relativiert werden könne.
Ebenso stößt sich der DAV an der Versagung des Befreiungsabschlags nach § 13d ErbStG für zum Betriebsvermögen gehörende, zu Wohnzwecken vermietete Wohnungen. Dies widerspreche dem mit der gesetzlichen Neuregelung zum 1.7.2016 eingeführten Konzept der Vollversteuerung des betrieblichen Verwaltungsvermögens. Die Fortschreibung der bisherigen Richtlinienregelung werde dem Systemwechsel von dem bisher geltenden "Alles-oder-Nichts-Prinzip" zum heutigen Trennungsprinzip nicht gerecht. Der DAV plädiert deshalb dafür, dass dem Erben der Befreiungsabschlag zu gewähren ist, sofern und soweit der zu Wohnzwecken vermietete Grundbesitz nicht bereits nach §§ 13a, 13b, 13c ErbStG begünstigt ist.
[Quelle: DAV]