Abschließend ist für die Anwendung der Gesetzesänderungen zu beachten, nach welchem Recht der Rechtsanwalt im Einzelfall abrechnen kann. Der Gesetzgeber hat die Übergangsvorschrift von § 60 Abs. 1 RVG wie folgt geändert:
Zitat
„Für die Vergütung ist das bisherige Recht anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt worden ist. Dies gilt auch für einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse (§ 45, auch in Verbindung mit § 59a). Steht dem Rechtsanwalt ein Vergütungsanspruch zu, ohne dass ihm zum Zeitpunkt der Beiordnung oder Bestellung ein unbedingter Auftrag desjenigen erteilt worden ist, dem er beigeordnet oder für den er bestellt wurde, so ist für diese Vergütung in derselben Angelegenheit bisheriges Recht anzuwenden, wenn die Beiordnung oder Bestellung des Rechtsanwalts vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung wirksam geworden ist. Erfasst die Beiordnung oder Bestellung auch eine Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt erst nach dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erstmalig beauftragt oder tätig wird, so ist insoweit für die Vergütung neues Recht anzuwenden. Das nach den Sätzen 2 bis 4 anzuwendende Recht findet auch auf Ansprüche des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts Anwendung, die sich nicht gegen die Staatskasse richten. Die Sätze 1 bis 5 gelten auch, wenn Vorschriften geändert werden, auf die dieses Gesetz verweist,” (BGBl I. S. 3248 f.).
Bei der Anwendung der Übergangsvorschrift ist zwischen Wahlanwalt und beigeordneten oder bestelltem Rechtsanwalt zu unterscheiden.
a) Wahlanwalt
Für die Wahlanwaltsvergütung kommt es auf das Datum der unbedingten Auftragserteilung der jeweiligen Angelegenheit an. Entsprechend gilt, ist der unbedingte Auftrag vor dem 1.1.2021 erteilt worden, gilt vorbehaltlich von § 60 Abs. 1 S. 5 RVG a.F. altes Recht, sonst neues Recht.
Bei einer bedingten Auftragserteilung kommt es auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts an.
Beispiel:
Der Mandant M beauftragt den Rechtsanwalt R eine Forderung gegenüber B außergerichtlich bis zum 31.12.2020 geltend zu machen. Zahlt B nicht, hat R Klageauftrag. Eine Zahlung erfolgt nicht. Die Klage wird erhoben. Wie kann R abrechnen?
Die außergerichtliche Geltendmachung der Forderung ist nach altem Recht zu vergüten, da sie vor dem 1.1.2021 beauftragt worden ist. Die Vergütung für die Klage kann nach neuen Recht abgerechnet werden, da der Bedingungseintritt erst mit dem Ablauf des 31.12.2020 eingetreten ist und R mit dem Klageauftrag mit einer weiteren Tätigkeit beauftragt worden ist.
Bei Anrechnungsfällen kommt es auf den Zeitpunkt der unbedingten Auftragserteilung der jeweiligen Angelegenheit an (vgl. Schneider ErbR 2021, 28, 29 f. m.w.N.). Für die Vergütung von Auslagen kommt es ebenfalls auf die vorherige Unterscheidung an, da auch hier § 60 Abs. 1 n.F. RVG anwendbar ist. Die Sonderreglung für Rechtsmittelverfahren nach § 60 Abs. 1 S. 2 RVG a.F. ist abgeschafft worden.
b) Beigeordneter oder bestellter Rechtsanwalt
Hat ein Mandant einem später beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt einen unbedingten Auftrag erteilt und kommen neben der Wahlvergütung auch Ansprüche gegen die Staatskasse in Betracht, kommt es nach § 60 Abs. 1 S. 2 RVG n.F. auf das Datum der Auftragserteilung und nicht der Bestellung oder Beiordnung an. Ist dem Rechtsanwalt kein Auftrag erteilt worden, kommt es, mit der Ausnahme von § 60 Abs. 1 S. 4 RVG n.F. auf das Datum der Beiordnung oder Bestellung an.
§ 60 Abs. 1 RVG n.F. gilt auch dann, wenn das RVG auf ein anderes Gesetz verweist. Bedeutung hat dies vor allem für die Änderung von Wertvorschriften bspw. des GKG, des FamGKG oder des GNotKG.