Mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz hat der Gesetzgeber auch die Anrechnung mehrere Gebühren auf eine Gebühr reformiert und § 15a Abs. 2 RVG n.F. eingeführt. Dort heißt es:
Zitat
„(2) Sind mehrere Gebühren teilweise auf dieselbe Gebühr anzurechnen, so ist der anzurechnende Betrag für jede anzurechnende Gebühr gesondert zu ermitteln. Bei Wertgebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnung jedoch denjenigen Anrechnungsbetrag nicht übersteigen, der sich ergeben würde, wenn eine Gebühr anzurechnen wäre, die sich aus dem Gesamtbetrag der betroffenen Wertteile nach dem höchsten für die Anrechnungen einschlägigen Gebührensatz berechnet. Bei Betragsrahmengebühren darf der Gesamtbetrag der Anrechnungen den für die Anrechnung bestimmten Höchstbetrag nicht übersteigen,” (BGBl I, S. 3248).
Mit § 15a Abs. 2 RVG n.F. widerspricht der Gesetzgeber der Rechtsprechung des BGH aus dem Jahre 2017. Der BGH hat in seinem Beschluss den folgenden Leitsatz aufgestellt:
Zitat
„Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen,” (BGH, Beschl. v. 28.2.2017 – I ZB 55/16 = NJW 2017, 1821 ff.).
Der BGH vertrat die Auffassung, dass sämtliche Geschäftsgebühren grds. in der tatsächlichen Höhe auf die gerichtliche Verfahrensgebühr anzurechnen waren. Dies hat dazu geführt, dass der Rechtsanwalt in den Fällen, in denen die Summe der anzurechnenden Beträge die Höhe der Verfahrensgebühr erreicht oder überstiegen hat, im gerichtlichen Verfahren keine Verfahrensgebühr mehr verdient hat.
Durch § 15a Abs. 2 RVG n.F. wird der Anrechnungsbetrag aber begrenzt, wodurch dem Rechtsanwalt i.d.R. eine Verfahrensgebühr erhalten bleibt und seine Motivation für eine gerichtliche Durchsetzung geschaffen werden soll. Entsprechend führt der Gesetzgeber einen Anrechnungshöchstbetrag ein, der sich an § 15 Abs. 3 RVG orientiert. Dies soll an den folgenden Beispielen veranschaulicht werden.
Beispiel 1 (mehrere Wertgebühren, gleicher Gebührensatz):
Die Rechtsanwältin R hat für den Mandanten M außergerichtlich in zwei Angelegenheiten Ansprüche (Anspruch A Streitwert 10.000 EUR; Anspruch B Streitwert 6.000 EUR) gegenüber dem Anspruchsgegner A geltend gemacht. Durch den Umfang und die Schwierigkeit der Tätigkeiten in beiden Angelegenheiten hat R eine Gebühr leicht über der Mittelgebühr i.H.v. 1,6 abgerechnet. Die außergerichtliche Durchsetzung der Ansprüche scheiterte an der Blockadehaltung von A, wodurch R die Ansprüche gerichtlich im Wege der objektiven Klagehäufung geltend gemacht hat. Außergerichtlich sind zwei Geschäftsgebühren entstanden, die auf die spätere Verfahrensgebühr anzurechnen sind. (Anmerkung der Autoren: Die Beispiele wurden nach den neuen Wertgebühren sowie einer Umsatzsteuer von 19 % berechnet).
1. Außergerichtliche Vertretung Anspruch A (10.000 EUR): |
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a) 1,6-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG |
982,40 EUR |
b) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
c) Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
190,46 EUR |
Summe: |
1.192,86 EUR |
2. Außergerichtliche Vertretung Anspruch B (6.000 EUR): |
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a) 1,6-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV RVG |
624,00 EUR |
b) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
c) Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
122,36 EUR |
Summe: |
766,36 EUR |
3. Gerichtliches Verfahren (Wert: 16.000 EUR; Berechnung nach dem BGH): |
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a) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG |
933,40 EUR |
b) 0,75 Anrechnung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus 10.000 EUR |
- 460,50 EUR |
c) 0,75 Anrechnung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus 6.000 EUR |
- 292,50 EUR |
verbleibende Verfahrensgebühr |
180,40 EUR |
d) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG |
861,60 EUR |
e) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
f) Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
201,78 EUR |
Summe: |
1.263,78 EUR |
4. Gerichtliches Verfahren (Wert: 16.000 EUR) § 15a Abs. 2 RVG n.F.: |
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a) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 RVG |
933,40 EUR |
b) 0,75 Anrechnung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus 10.000 EUR |
(- 460,50 EUR) |
c) 0,75 Anrechnung gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus 6.000 EUR |
(- 292,50 EUR) |
hier aber Deckelung der Anrechnung durch § 15a Abs. 2 RVG 0,75 Anrechnung aus 16.000 EUR |
- 538,50 EUR |
verbleibende Verfahrensgebühr |
394,90 EUR |
d) 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV RVG |
861,60 EUR |
e) Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
f) Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG |
242,54 EUR |
Summe: |
1.519,04 EUR |
Beispiel 2 (mehrere Wertgebühren, unterschiedliche Gebührensätze):
Wie im Beispiel 1 hat die R außergerichtlich für M zwei Ansprüche gegenüber A geltend gemacht (Anspruch A Streitwert 10.000 EUR; Anspruch B Streitwert 6.000 EUR). Für den Anspruch A rechnet R mit einem Gebührensatz von 2,0 und für den Anspruch B mit 1,0 ab. Die Ansprüche werden im Wege der objektiven Klagehäufung gerichtlich gegenüber A geltend gemacht.
a) 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 R... |