Zitat
„Das Gericht wird keine Verhandlungen im Wege der Videokonferenz durchführen. [...] Das Gericht kann nachvollziehen, dass der Klägervertreter unter den gegebenen Umständen nicht wegen des Termins nach [...] fahren möchte. Da der Sachverhalt einfach ist, regt das Gericht die Beauftragung eines Unterbevollmächtigten an.”
Zitat
„Auf die Anregung vom [...] wird mitgeteilt, dass der Termin „normal” wie geplant stattfinden wird. [...] Im Übrigen ist nach § 128a ZPO dann, wenn Güteverhandlung und früher erster Termin bestimmt ist, keine Videokonferenz möglich.”
Die erstzitierte Aussage ergibt sich aus einer gerichtlichen Verfügung vom 30.12.2020, die zuletzt zitierte Aussage stammt aus einer gerichtlichen Verfügung vom 20.1.2021.
In beiden Verfahren hatte ein Prozessbevollmächtigter einer Partei zuvor jeweils beantragt, die anberaumte mündliche Verhandlung im Wege einer Videokonferenz durchzuführen und den Parteien daher zu gestatten, sich während der mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Beide Anträge wurden nach Anordnung des bundesweiten, ab dem 16.12.2020 eingetretenen Lockdown gestellt. Sie waren dem Umstand geschuldet, dass nachdrücklich dazu geraten worden war, soziale Kontakte zu Mitmenschen auch im beruflichen Bereich sowie Reisetätigkeiten auf ein absolutes Minimum zu reduzieren (vgl. u.a. PK der Bundeskanzlerin et al. vom 13.12.2020).
Wer als Prozessbevollmächtigter einen solchen Antrag gestellt hat, mag sich verwundert „die Augen reiben”, sofern man solche gerichtlichen Verfügungen liest. Man wird sich ggf. die Frage stellen, ob man die gesetzlichen Vorgaben missverstanden hat. Dies dürfte jedoch nicht der Fall sein.
Durch Art. 2 des Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren vom 25.4.2013 (BGBl I, S. 935) wurde die Regelung des § 128a ZPO reformiert und erhielt die seitdem geltende Fassung. Nach § 128a Abs. 1 S. 1 ZPO kann das Gericht den Parteien, ihren Bevollmächtigten und Beiständen auf Antrag oder von Amts wegen gestatten, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem anderen Ort aufzuhalten und dort Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Die Verhandlung wird nach S. 2 zeitgleich in Bild und Ton an diesem Ort und in das Sitzungszimmer übertragen. Nach § 128a Abs. 3 S. 2 ZPO ist eine Entscheidung nach § 128a Abs. 1 S. 1 ZPO unanfechtbar.
Diese Regelung gilt über Verweisungsnormen auch in der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 46 Abs. 2 ArbGG), den Verfahren in Familiensachen (§ 113 Abs. 1 FGG), der Verwaltungsgerichtsbarkeit (§ 173 S. 1 VwGO), der Sozialgerichtsbarkeit (§ 202 S. 1 SGG) und dem Insolvenzverfahren (§ 4 InsO). Im Gesetzesentwurf war insofern klargestellt worden, dass durch die Neufassung der Norm sämtliche gerichtlichen Verfahrensordnungen umfassend auf die qualitativ hochwertigen technischen Möglichkeiten der Gegenwart ausgerichtet und zugleich normativ die Weichen für die Zukunft gestellt werden (BT-Drucks 17/1224, S. 2). Die Verstärkung des Einsatzes von Videokonferenztechnik stelle ein Serviceangebot im Sinne einer „kundenorientierten” Justiz dar. Der Wirkungsgrad des Gesetzes hänge dabei direktproportional vom Steigen des Ausstattungsgrades und der Akzeptanz der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung in der forensischen Praxis ab.
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung am 1.11.2013 konnte niemand ahnen, dass ca. 6,5 Jahre später eine (weltweite) Epidemie-Situation eintreten wird, die Anlass geben könnte, über eine verstärkte Anwendung des § 128a ZPO aus Epidemie-bedingten Gründen nachzudenken. Das Vorhandensein dieser Norm bestätigt zunächst die Ansicht, dass die ZPO „krisenfest” ist und den Prozessbeteiligten Möglichkeiten bietet, im Zivilprozess auf solche Epidemie-Situationen reagieren zu können (vgl. hierzu den lesenswerten Beitrag von Windau, Gerichtsverhandlung per Videokonferenz: Keine Angst vor 128a ZPO, AnwBl 2021, S. 26).
In der Arbeitsgerichtsbarkeit war im Übrigen – befristet bis zum 31.12.2020 – mit § 114 Abs. 3 ArbGG a.F. eine Regelung eingeführt worden (lex specialis zu § 128a Abs. 1 ZPO), nach der das Gericht u.a. den Parteien und ihren Bevollmächtigten bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite nach § 5 Abs. 1 S. 1 IfSG im Falle des § 128a ZPO von Amts wegen gestatten soll, sich während einer mündlichen Verhandlung an einem andren Ort aufzuhalten und dort im Wege der zeitgleichen Bild und Tonübertragung Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Diese Regelung sah im Vergleich zu der Kann-Regelung des § 128a Abs. 1 ZPO eine Soll-Regelung vor. Es ist bedauerlich, dass der Gesetzgeber diese Norm mit Wirkung zum 1.1.2021 aufgehoben hat. Unabhängig hiervon setzen die Arbeitsgerichte in Düsseldorf (ArbG und LAG) im Jahr 2021 in erheblichem Umfang Videokonferenztechnik ein (s. LAG Düsseldorf, PM 3/21 vom 24.2.2021).
Warum einige Gerichte vor dem Hintergrund des § 128a ZPO Videokonferenztechnik nicht einsetzen, kann nicht final beurtei...