Eine allgemeine Pflicht, sich gegen den Corona-Erreger impfen zu lassen, steht derzeit – angesichts der sich zunehmend entspannenden Pandemiesituation – nicht mehr auf der politischen Tagesordnung. Für Einrichtungen der Gesundheitsinfrastruktur begegnet sie jedenfalls keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; dies hat kürzlich das BVerfG festgestellt.
Der Hintergrund der Entscheidung: Der Bundestag hatte im Dezember vergangenen Jahres die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen; geregelt ist sie in den §§ 20a, 73 Abs. 1a Nr. 7e IfSG. Sie verpflichtet praktisch alle im Gesundheitswesen Tätigen, ab dem 15.3.2022 geimpft oder genesen zu sein; den Nachweis darüber müssen sie der Leitung der Einrichtung, in der sieâEUR™arbeiten, durch einen Impf- oder Genesenennachweis oder per medizinischer Kontraindikation nachweisen. Die neue Regelung hat das Ziel, die besonders vulnerablen Personen zu schützen, mitâEUR™denen das Personal in Kontakt kommt. Die Bestimmungen sind zunächst befristet bis Ende dieses Jahres. Gegen die neue Impfpflicht legten bereits zahlreiche ungeimpfte Pflegerinnen und Pfleger, aber auch Leitungen von Gesundheitseinrichtungen, die weiterhin ungeimpftes Personal beschäftigen möchten, sowie Patientinnen und Patienten von medizinischen Dienstleistern, Verfassungsbeschwerde ein und beantragten den Erlass einstweiliger Anordnungen.
Zumindest die Eilanträge hat das BVerfG am 10.âEUR™Februar mit klaren Worten und damit auch mit einer gewissen Vorbedeutung für die Hauptsacheverfahren zurückgewiesen (Beschl. v. 10.2.2022 – 1âEUR™BvR 2649/21). "Die Einführung der einrichtungs- und unternehmensbezogenen Pflicht zum Nachweis einer Impfung, Genesung oder Kontraindikation in § 20a IfSG als solche begegnet (...) keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken", schrieben die Richter in ihren Beschluss. Nach wie vor sei die Pandemie durch eine besondere Infektionsdynamik mit hohen Fallzahlen geprägt, mit der eine große Infektionswahrscheinlichkeit und dadurch ein entsprechend hohes Gefährdungspotenzial für vulnerable Personen einhergehe. Deshalb sei eine möglichst frühzeitige Unterbrechung von Übertragungsketten besonders wichtig, zu der ausweislich der weitgehend übereinstimmenden Stellungnahmen der angehörten sachkundigen Dritten eine COVID-19-Impfung in einem relevanten Maß beitragen könne. Auch sei zu berücksichtigen, dass sich gerade vulnerable Personen grds. nur eingeschränkt selbst gegen eine Infektion schützen könnten und sie zudem auf die Inanspruchnahme der betreffenden Gesundheits- und Pflegeleistungen angewiesen seien.
Demgegenüber würden die Interessen der Verfassungsbeschwerdeführer weniger schwer wiegen. Denn gravierende Nebenwirkungen einer Impfung, die über die durch die Verabreichung des Impfstoffes induzierte Immunantwort hinausgingen, seien nach derzeitigem Kenntnisstand sehr selten. Ungeachtet dessen bleibe es den von der Nachweispflicht betroffenen Personen auch unbenommen, sich gegen eine Impfung zu entscheiden, auch wenn damit gewisse berufliche Nachteile verbunden seien.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sehen die Verfassungsrichterinnen und -richter im Kern somit weitgehend unkritisch. "Bauchschmerzen" haben sie allerdings mit der Gesetzestechnik in § 20a IfSG: Die vom Gesetzgeber gewählte "Regelungstechnik einer doppelten dynamischen Verweisung", bei der die Norm – etwa beim Genesenenstatus – zunächst auf die COVID-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung Bezug nimmt, die ihrerseits wiederum auf die Internetseiten des Paul-Ehrlich-Instituts und des Robert Koch-Instituts verweist, scheint ihnen bedenklich. Denn im Ergebnis führt dies dazu, dass die beiden Bundesinstitute – per Website – bindende Regelungen mit Außenwirkung schaffen können, während der Verordnungsgeber selbst sich der notwendigen infektionsrechtlichen Konkretisierungen enthält. Diese Rechtsfrage, so die Richterinnen und Richter, solle aber der Hauptsacheentscheidung vorbehalten bleiben; i.R.d. Eilverfahrens müsse sie nicht geklärt werden.
[Quelle: BVerfG]