Eine Pflichtverteidigerbestellung in Bußgeldverfahren ist nur in Ausnahmefällen geboten. Einem Analphabeten ist aber für die Hauptverhandlung ein Verteidiger zu bestellen, wenn eine sachgerechte Verteidigung Aktenkenntnis erfordert oder eine umfangreiche Beweisaufnahme dem Betroffenen Anlass gibt, sich Notizen über den Verhandlungsablauf und den Inhalt von Aussagen zu machen, weil er sie als Gedächtnisstütze benötigt (BayObLG, Beschl. v. 21.11.2022 – 201 ObOWi 1363/22). Die Vorschriften über die notwendige Verteidigung (§§ 140 ff. StPO) sind über § 46 Abs. 1 OWiG auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren anwendbar (LG Kaiserslautern, Beschl. v. 17.3.2023 – 5 Qs 9/23), wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls das erfordern. Das ist ausnahmsweise dann der Fall, wenn bereits eine erste Verurteilung des Betroffenen auf seine Rechtsbeschwerde vom OLG hin aufgehoben worden ist und die durchzuführende Hauptverhandlung sich maßgeblich an den Ausführungen des OLG zu orientieren hat, wobei die insoweit gebotene Auseinandersetzung mit den optischen Fehlerquellen einer Messung namentlich unter Berücksichtigung der Sichtverhältnisse und die juristische Bewertung der Messmethode von einem juristischen Laien nicht erwartet werden kann (LG Oldenburg, Beschl. v. 3.3.2023 – 6 Qs 61/23). Die Ausweisung als mögliche Rechtsfolge der §§ 53, 54 AufenthG wiegt so schwer, dass im Einzelfall von der Notwendigkeit der Verteidigung i.S.v. § 140 Abs. 2 StPO ausgegangen werden kann (AG Kiel, Beschl. v. 10.8.2022 – 35 OWi 556 Js 60154/21, StV-S 2023, 35 für ggf. drohende Verurteilung nach § 24a Abs. 1 StVG).
Die Rechtslage ist im Ordnungswidrigkeitenrecht dann schwierig, wenn es bei der Anwendung des materiellen oder formellen Rechts auf die Entscheidung nicht ausgetragener Rechtsfragen ankommt, wenn die Subsumtion voraussichtlich aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten wird, oder wenn es auf die Auslegung von Begriffen aus dem Ordnungswidrigkeitenrecht ankommt (LG Rottweil, Beschl. v. 22.8.2022 – 3 Qs 36/22). Der einem Betroffenen vorgeworfene Verstoß gegen die Maskenpflicht nach der CoronaVO BW führt nicht zur Notwendigkeit der Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage (§ 140 Abs. 2 StPO i.V.m. § 46 OWiG; LG Rottweil, a.a.O.). Eine schwierige Rechtslage kann vorliegen, wenn eine streitige Rechtsfrage obergerichtlich noch nicht entschieden ist (LG Rottweil, a.a.O.).