Die Anknüpfung in Satz 2 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG an die den betreffenden Anwalt in dieser Angelegenheit angefallene Verfahrensgebühr führt automatisch zu einer höheren Terminsgebühr nach Satz 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3106 VV RVG, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände i.S.v. § 14 Abs. 1 RVG bei der Verfahrensgebühr die Mittelgebühr überschritten wird oder sogar die Höchstgebühr von 550 EUR erreicht wird. Umgekehrt fällt ein entsprechend geringerer Gebührenbetrag für die Terminsgebühr an, wenn unter Berücksichtigung der Umstände des § 14 Abs. 1 RVG die Berechnung einer unterhalb der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr angemessen ist.
Das SG Fulda (RVGreport 2016, 104 [Hansens] hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass Bezugsgröße für die Berechnung der Terminsgebühr die Verfahrensgebühr ist, die gerade dem Rechtsanwalt zusteht, der diese Terminsgebühr für sich in Anspruch nimmt. Dies gelte auch dann, wenn der Anwalt infolge der Aufhebung der Beiordnung eines früheren Bevollmächtigten erst in einem späteren Zeitpunkt in das Verfahren eintritt und die ihm am Maßstab des § 14 Abs. 1 RVG zustehende Verfahrensgebühr von vornherein nicht den Umfang des gesamten Verfahrens abbildet. In jenem Fall hatte das SG Fulda den betreffenden Anwalt erst während des Rechtsstreits beigeordnet, nachdem es die Beiordnung des Voranwalts, der bereits die Klagebegründung gefertigt hatte, aufgehoben hat. Somit stand dem zweiten Anwalt angesichts des beschränkten Zeitraums seiner Beiordnung eine Verfahrensgebühr nur unterhalb der Mittelgebühr zu. Dies hatte hier zur Folge, dass Bezugsgröße für die Terminsgebühr nur diese verhältnismäßig geringe Verfahrensgebühr war.
Der betreffende Rechtsanwalt hatte demgegenüber argumentiert, es sei fiktiv auf die im "Normalfall" anzusetzende Verfahrensgebühr abzustellen, mithin auf die Mittelgebühr i.H.v. 300 EUR. Dem hat das SG Fulda widersprochen, weil bereits der Gesetzeswortlaut auf die dem Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit konkret zustehende Verfahrensgebühr anknüpfe.
Hinweis:
Die Argumentation des SG Fulda hat etwas für sich. Der Rechtsanwalt, der eine an die Höhe der Verfahrensgebühr anknüpfende Terminsgebühr geltend macht, sollte deshalb sämtliche Argumente vortragen, die für eine möglichst hohe Verfahrensgebühr sprechen. Auch wenn ein Rechtsanwalt erst im Laufe des Gerichtsverfahrens beigeordnet wird, muss dies nicht zwingend zu einer wesentlich unterhalb der Mittelgebühr liegenden Verfahrensgebühr führen. Selbst wenn die Klageschrift noch vom Voranwalt gefertigt und eingereicht worden ist und der Aufwand für den nunmehr beigeordneten Anwalt entfällt, muss sich der neu bestellte Anwalt erst einmal in das von dem Voranwalt begonnene Verfahren einarbeiten. Je nach Sach- und Rechtslage muss dies nicht zwingend einfacher sein als wenn er das Verfahren von vornherein betrieben hätte. Im Gegenteil führen die Durcharbeitung der Klageschrift eines anderen Rechtsanwalts und auch die Verfolgung des bisherigen Verfahrensablaufs zu einem Mehraufwand. Ferner kann die im Regelfall erforderliche Besprechung mit dem Mandanten umfangreicher sein als eine solche Besprechung vor Beginn des Verfahrens, weil dabei weiterer Sachverhalt und die Klagebegründung des Voranwalts mit erörtert werden müssen. Selbst wenn all diese von dem Anwalt vorzutragenden Umstände nicht die Berechnung einer Mittelgebühr i.H.v. 300 EUR rechtfertigen, sondern einer etwas darunter liegenden Verfahrensgebühr i.H.v. 250 EUR, so würde die auch in sozialgerichtlichen Angelegenheiten geltende Toleranzgrenze von 20 % eine Herabsetzung dieser Mittelgebühr nicht rechtfertigen. In diesem Fall wäre dann die Mittelgebühr i.H.v. 300 EUR Berechnungsgrundlage für die im schriftlichen Verfahren angefallene Terminsgebühr.
Autor: VorsRiLG a.D. Heinz Hansens, Berlin
ZAP 7/2016, S. 377 – 390