Vor einigen Wochen ist der neueste Roland-Rechtsreport veröffentlicht worden. Erstellt hat ihn, wie schon in den Vorjahren, das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Versicherers. Auch diesmal sind die Langzeitanalyse des Vertrauens der Bevölkerung in wichtige gesellschaftliche und staatliche Institutionen sowie die Ermittlung der grundsätzlichen Einstellungen zum deutschen Rechtssystem Schwerpunkte der Untersuchung. Daneben stand aktuell auch eine deutschlandweite Befragung von Richtern und Staatsanwälten zu ihrer Perspektive auf das deutsche Rechtssystem auf dem Programm.
Wie bereits in den Vorjahren ergab auch dieser mittlerweile 13. Rechtsreport ein erfreulich hohes Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Justizsystem: So gaben rund 70 % der befragten Bürger an, „sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen” in die Gesetze und in die Gerichte zu haben. Dabei zeigte sich – auch rd. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung – weiterhin ein deutliches Gefälle zwischen Ost- und Westdeutschland: Während im Westen immerhin 73 % der Bürger die vorgenannte Aussage unterstützen, waren es im Osten nur 59 % der befragten Bevölkerung. Auch die Polizei, die Regierung und die Verwaltung genießen im Osten des Landes grundsätzlich weniger Vertrauen.
Obwohl das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Justiz- und Rechtssystem somit insgesamt relativ hoch ist, äußerten die Befragten auch deutliche Kritik im Detail. Dabei ergaben sich insgesamt vier wesentliche Punkte:
- So ist die lange Verfahrensdauer 80 % der Befragten ein Dorn im Auge. 75 % halten zudem die Gerichte für überlastet. Vor zehn Jahren lagen die Werte hier noch bei 77 % bzw. 64 % – die Probleme haben sich also in der Wahrnehmung der Bevölkerung verschärft.
- Über die Hälfte (59 %) ist zudem der Auffassung, dass man seine Erfolgsaussichten auf ein günstiges Gerichtsurteil erhöht, wenn man sich einen bekannten Anwalt leisten kann. 54 % halten die Rechtsprechung für uneinheitlich, also stark vom jeweiligen Gericht abhängig.
- 56 % bemängeln, dass die Gesetze zu kompliziert und für normale Menschen schwer zu verstehen sind.
- Die Urteile empfinden 45 % der Bevölkerung allgemein als zu milde. 52 % wünschen sich ein härteres Durchgreifen gegenüber jugendlichen Straftätern.
Wie bereits in den Vorjahren wurde auch diesmal untersucht, wie die Bürger die Erfolgschancen einer außergerichtlichen Streitbeilegung einschätzen. Nach wie vor bewertet die Bevölkerung diese mehrheitlich positiv: 51 % sind überzeugt, dass sich mit einem solchen Verfahren viele Streitigkeiten beilegen lassen, 37 % sind hingegen skeptisch.
Harsche Kritik zum Zustand des deutschen Rechtssystems kam diesmal aus der Richterschaft und von den Staatsanwälten. Diese Berufsgruppen wurden erst zum dritten Mal im Rahmen eines Roland-Reports befragt und hielten aktuell mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg. 78 % der Richter halten die Gerichte für personell schlecht ausgestattet, nur 21 % sehen sie personell gut aufgestellt. Noch kritischer fällt das Urteil der Staatsanwälte über die personelle Ausstattung in ihren Behörden aus: 92 % aller Staatsanwälte bewerten die Personalsituation der Staatsanwaltschaften negativ, nur 8 % positiv. Die Bilanz der personellen Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist damit zwar fast identisch mit dem Ergebnis des Jahres 2018; tendenziell verschlechtert hat sich hingegen nach Auffassung der Befragten erneut die Bewertung der technischen Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften: 2013 bewerteten noch 54 % der Richter und Staatsanwälte die technische Ausstattung an den Gerichten positiv, 2018 waren es 36 %, aktuell sind es nur noch 32 %. Umgekehrt hat sich der Anteil derer, die die technische Ausstattung als eher schlecht oder sehr schlecht bezeichnen, seit 2013 von 45 auf 67 % erhöht. Insgesamt sagen 53 % dieser Berufsgruppenangehörigen, dass sich die Rahmenbedingungen für eine gute Rechtsprechung in Deutschland in den vergangenen Jahren verschlechtert haben.
Grundsätzlich beklagen 61 % der Richter und Staatsanwälte die Zeitnot, unter der sie bei ihren Entscheidungen stehen. Hier zeigen sich große Unterschiede zwischen den Berufen: So haben 58 % der Richter, aber 72 % der Staatsanwälte dem eigenen Empfinden nach nicht genügend Zeit für ihre Rechtsfälle. Auch der 2019 geschlossene Bund-Länder-Rechtsstaatspakt hat aus Sicht der Befragten keine Entlastung gebracht. 78 % finden, dass die Verfahren zu lange dauern – 2018 waren es 75 %. Als Hauptursachen hierfür wurden genannt, dass das anzuwendende Recht immer komplexer wird (63 %), dass die auszuwertenden Datenvolumen immer größer (61 %) und die Schriftsätze immer umfangreicher werden (58 %). Zudem beklagt nach wie vor mehr als jeder Zweite, dass es in Deutschland ein uneinheitliches Strafmaß gibt.
Drei Viertel der Richter und Staatsanwälte beklagen eine hohe Arbeitsbelastung, lediglich jeder Dritte verbindet den eigenen Beruf mit einer guten Work-Life-Balance und gerade einmal 17 % sind der Meinung, dass der Beruf ...