Vertrauen in den Staat erreicht neuen Tiefpunkt

Das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des deutschen Staates ist auf einen neuen Tiefstand gesunken. In einer Umfrage für den Deutschen Beamtenbund hielten nur noch 27 Prozent der Befragten den Staat für fähig, seine Aufgaben zu erfüllen. Das waren zwei Prozentpunkte weniger als im vergangenen Jahr.

69 Prozent der vom Institut Forsa Befragten sahen den Staat als überfordert an - vor einem Jahr waren es 66 Prozent gewesen.

Überfordert ist der Staat danach vor allem mit der Asyl- und Flüchtlingspolitik, der Bildungspolitik sowie in der Klima- und Umweltpolitik, so das Ergebnis der 17. dbb Bürgerbefragung, die das Meinungsforschungsinstitut forsa durchgeführt hat. "Das ist alarmierend“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach die Ergebnisse am 15. August 2023 in Berlin.

Staatliches Ansehen in Ostdeutschland besonders schlecht

Besonders schlecht ist das Ansehen des Staates in Ostdeutschland. Dort waren 77 Prozent der Befragten davon überzeugt, dass er hinsichtlich seiner Aufgaben und der bestehenden Probleme überfordert sei - im Westen waren es 68 Prozent. Die schlechteste Meinung haben AfD-Anhänger. Von ihnen sehen gerade einmal 6 Prozent den Staat in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Bei Anhängern von CDU und CSU sind es der Umfrage zufolge 22 Prozent, bei Anhängern der FDP 34, der SPD 46 und der Grünen 52 Prozent.

Überforderung vor allem in der Asyl- und Flüchtlingspolitik

Bei der Frage, auch welchen Feldern der Staat überfordert sei, hat es im Vergleich zum Vorjahr eine signifikante Veränderung gegeben. Während 2022 - kurz nach dem Beginn des Ukraine-Krieges - mit 17 Prozent die Energieversorgung ganz oben stand, ist es jetzt mit 26 Prozent die Asyl- und Flüchtlingspolitik. Die Energieversorgung kommt jetzt dagegen nur noch auf 7 Prozent. Weit darüber liegen unter anderem die Schul- und Bildungspolitik (19 Prozent) sowie der Klima- und Umweltschutz (17 Prozent).

Feuerwehrleute genießen das höchste Ansehen 

Wie bereits in den Vorjahren wird auch aktuell das „Beruferanking“ von den Feuerwehrleuten angeführt, von denen 94 Prozent ein (sehr) hohes Ansehen haben.

Es folgen im Ansehensranking Krankenpflegekräfte (89 %), Ärztinnen und Ärzte (85 %) und Altenpflegekräfte (84 %). Von Polizistinnen und Polizisten haben 78 Prozent, von Erzieher/-innen im Kindergarten bzw. der Kita 76 Prozent und von Müllmännern bzw. -frauen 72 Prozent ein (sehr) hohes Ansehen.

Von Beamten und Beamtinnen haben aktuell 32 Prozent ein (sehr) hohes Ansehen. Das geringste Ansehen haben wie bereits im letzten Jahr die Politikerinnen und Politiker (14 %), Mitarbeitende in einer Telefongesellschaft (13 %) oder einer Werbeagentur (8 %) sowie Versicherungsvertreter/-innen (8 %). Veränderungen im Vergleich zum letzten Jahr sind im Ansehen der einzelnen Berufsgruppen dieses Jahr kaum zu verzeichnen.

Einen leichten Ansehenszuwachs können Hochschulprofessoren bzw. -professorinnen und Soldaten bzw. Soldatinnen (jeweils + 3 Prozentpunkte) verzeichnen. Den vergleichsweise größten Ansehensrückgang hatten im letzten Jahr die Politikerinnen und Politiker (- 3 Prozentpunkte).

Müllabfuhr schneidet bei Bewertung öffentlicher Einrichtungen am besten ab

Den Befragten wurden verschiedene öffentliche Einrichtungen genannt mit der Bitte, die Arbeit dieser Einrichtungen anhand von Schulnoten von 1 bis 6 zu bewerten.

Weiterhin schneiden die Straßenreinigung bzw. Müllabfuhr sowie die Bibliotheken (jeweils 2,0), gefolgt von den Museen (2,1) am besten ab. Landes- bzw. Bundesministerien (3,6 bzw. 3,8) sowie Arbeits- und Sozialämter (3,5 bzw. 3,4) werden im Vergleich zu den anderen Behörden schlechter bewertet.

Die Bewertung der Arbeit der verschiedenen Behörden fällt alles in allem ähnlich aus wie im vergangenen Jahr. Im Vergleich zum Jahr 2020 werden insbesondere Landes- und Bundesministerien (- 0,5 bzw. – 0,6) sowie Krankenhäuser und Finanzämter (jeweils – 0,4), aber auch viele andere Behörden (Straßenreinigung und Müllabfuhr, Kindergärten, Stadt- bzw. Gemeindeverwaltung, Schulen – jeweils – 0,3) schlechter bewertet.

Wichtigste Aufgaben des Staates: Soziale Gerechtigkeit, Infrastruktur und Klimaschutz

Die wichtigsten Aufgaben des Staates sind aus Sicht der Befragten 2023 die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit, die Verbesserung der Infrastruktur sowie der Klimaschutz.

Die höchste Priorität hat für die Befragten die Aufrechterhaltung der sozialen Gerechtigkeit in der Gesellschaft: diese Aufgabe des Staates halten 63 Prozent für „sehr wichtig“. Die Verbesserung der Infra- und Verkehrsstruktur halten 47 Prozent, Investitionen für den Klimaschutz wie den Ausbau der erneuerbaren Energien 46 Prozent und den Ausbau sowie die Modernisierung und Digitalisierung des öffentlichen Dienstes 44 Prozent für sehr wichtig.

Die Entlastung der Bürger aufgrund der gestiegenen Preise insbesondere bei der Energieversorgung halten 39 Prozent, die Bewältigung der Herausforderungen zur Integration von Migranten und Geflüchteten 38 Prozent, die Verbesserung der Ausrüstung und der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr 36 Prozent für sehr wichtig. Für 30 Prozent hat die Schaffung gleicher Lebensverhältnisse in Stadt und Land, für 29 Prozent die Unterstützung der Ukraine durch zivile und humanitäre Hilfeleistungen und für 22 Prozent die Unterstützung der Ukraine im Kampf gegen Russland durch Lieferung auch schwerer Waffen oberste Priorität.

Im Westen werden Klimaschutz, Migrationsfragen und die Unterstützung der Ukraine als wichtigste Staatsaufgaben gesehen, im Osten eher die Entlastung der Bevölkerung von Inflationsfolgen, der soziale Ausgleich und die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land. „Besonders bedenklich ist dabei die sich immer stärker abzeichnende Spaltung der Gesellschaft“, so dbb-Chef Silberbach. „Die Gräben zwischen Ost und West, arm und reich, je nach Bildungsabschluss werden tiefer und der gesellschaftliche Stresslevel steigt.“

Beamtenbund beklagt zunehmende Gewaltbereitschaft gegen Beschäftigte

Inzwischen konstatieren 80 Prozent der Befragten eine generelle Verrohung der Gesellschaft. 26 Prozent sind dabei selbst Zeuge von Übergriffen auf öffentlich Bedienstete geworden. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (54 Prozent) ist selbst beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden. Silberbach: „Das ist ein vollkommen inakzeptabler Wert! Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zahlen die Zeche für den generellen Ansehensverlust des Staates, nicht nur bei Polizei und Rettungsdiensten, sondern auch in Schulen, Jobcentern und Bürgerämtern. Die Verrohung und Gewaltbereitschaft ist inzwischen ein riesen Problem für den öffentlichen Dienst, aber eigentlich für unsere ganze Gesellschaft. Schauen Sie sich nur an, was im Internet, in Fußballstadien oder im Straßenverkehr los ist.“

Die Politiker in Bund, Ländern und Gemeinden sind in der Pflicht, sich endlich wirklich vor ihre Beschäftigten zu stellen und sie moralisch, materiell und organisatorisch angemessen zu unterstützen, so der dbb-Chef: „Lasst uns endlich unsere Arbeit machen. Was die Bürgerinnen und Bürger – und übrigens auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst – wollen, ist ganz einfach: Der Staat soll seine Aufgaben erfüllen und für die Menschen da sein. Sie wollen keinen anderen Staat, sondern einen effizienten. Auch da sind die Ergebnisse unsere Bürgerbefragung eindeutig. Statt die Mittel für die Digitalisierung zu kürzen und ständig immer neue, immer kompliziertere Gesetze zu verabschieden, sollte die Bundesregierung das Gegenteil tun: Mehr Digitalisierung, mehr Bürokratieabbau und mehr Serviceleistungen im öffentlichen Dienst.“

dpa, dbb

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